Wie die Chemiker von Haarmann & Reimer die Zukunft von Menthol veränderten
Die Ursprünge des Symrise-Vorgängers Haarmann & Reimer (H&R) gehen auf das Jahr 1874 zurück, als die Synthese von Vanillin entwickelt wurde. Diesem Durchbruch folgten zahlreiche weitere bedeutende Erfindungen, die die Branche prägten. Vor 50 Jahren wurde mit der ersten kommerziellen Totalsynthese von L-Menthol im industriellen Maßstab ein weiterer wichtiger Meilenstein erreicht.
Am 3. September 1974 meldete Haarmann & Reimer ein bahnbrechendes Patent für die „Trennung von optisch reinem d- und l-Isomeren von Menthol, Neomenthol und Isomenthol an“. In zuge dessen betrieb das Unternehmen mit Sitz in Holzminden als erstes weltweit erfolgreich eine Großanlage zur Herstellung von synthetischem L-Menthol. Diese branchenverändernde Innovation wurde von den Chemikern Jürgen Fleischer, Kurt Bauer und Rudolf Hopp nach fast einem Jahrzehnt intensiver Forschung und Entwicklung entwickelt. Doch was machte Menthol so attraktiv für die Synthetisierung?

Die Ursprünge des Menthol Anbaus
Menthol ist blass weiß, kristallin, bei Raumtemperatur fest und wird als monozyklischer Monoterpenalkohol klassifiziert. L-Menthol, bekannt für sein charakteristisches frisches, minziges und kühlendes Gefühl, ist die dominierende Komponente in Minzölen. Diese Öle werden typischerweise aus Mentha Arvensis durch Wasserdampfdestillation extrahiert. Neben L-Menthol sind weitere wichtige Bestandteile dieser Öle Menthon, Isomenthon und Menthylacetat.
Japan war der traditionelle Lieferant von natürlichem Menthol vor 1939. Es deckte rund 70 bis 85 Prozent der weltweiten Nachfrage, die sich auf mehrere hundert Tonnen belief. Kleinere Mengen Menthol kamen auch aus China. Durch die Kriegsereignisse und die teilweise Unterbrechung der Handelswege konnte die Nachfrage in den 1940er Jahren nicht mehr gedeckt werden.
Der Anbau von Mentha Arvensis in Brasilien, der in den 1920er Jahren von japanischen Migranten eingeführt wurde, verzeichnete 1942 und 1943 ein deutliches Wachstum. Dieser Anstieg führte zu einer Förderung von rund 1.200 Tonnen Rohöl, wodurch Brasilien zum weltweit größten Produzenten und Lieferanten von Menthol aufstieg. Im Laufe der Jahrzehnte ersetzte China schließlich Brasilien als Hauptlieferant. Heute ist Indien der größte Produzent von natürlichem Menthol, der durch den extensiven Anbau von Mentha Arvensis und Fortschritte bei den Extraktionstechniken angetrieben wird.

Menthols Aufstieg
Menthol gewann erst im Zweiten Weltkrieg und vor allem in den 1950er Jahren an Bedeutung. Während es in der westlichen Welt früher fast ausschließlich in der pharmazeutischen Industrie eingesetzt wurde, weil sein pharmakologischer Wert erkannt worden war, kam der wirkliche Aufschwung als Folge der industriellen Umstrukturierung und der Schaffung des Verbrauchermarktes durch die USA. Die frische und kühlende Wirkung wurde als charakteristische Eigenschaft vor allem bei Produkten für die Zahnpflege- und Süßwarenindustrie immer wichtiger. Der fortschreitende allgemeine Wohlstand kurbelte den Massenkonsum insbesondere in diesen Produktgruppen weiter an. Neue Bedürfnisse wurden geweckt und bisher unbemerkte Märkte erschlossen. Der Konsum von Menthol stieg entsprechend.
Der Durchbruch beim synthetischen L-Menthol
Um der weltweit stetig wachsenden Nachfrage nach Menthol gerecht zu werden, erwies sich die Synthetisierung als eine vielversprechende und wirtschaftlich tragfähige Lösung. Der Anbau von Mentha Arvensis, vor allem in Brasilien, hatte natürliche Grenzen. Der spezifische Jungboden des tropisch-subtropischen Dschungels, essenziell für den Anbau von Mentha arvensis, war nur in begrenzten Mengen verfügbar. Darüber hinaus machten moderne landwirtschaftliche Techniken, die mechanischen Anbau, Bewässerung und sorgfältige Bodenpflege erforderten, den Anbau von Mentha Arvensis teuer, selbst bei verbesserten Ölerträgen.

Der bahnbrechende Erfolg von Jürgen Fleischer, Kurt Bauer und Rudolf Hopp revolutionierte die Menthol-Industrie. Ihre Innovation führte zur Entwicklung von synthetischem Menthol, das als "Menthol H&R" bezeichnet wurde und schnell weltweite Anerkennung fand. Dies markierte einen entscheidenden Wandel in der Industrie, da die Synthetisierung eine zuverlässige und skalierbare Alternative zu natürlichen Quellen bot.
Das Herzstück der Innovation ist immer noch die Trennung der beiden Enantiomere D- und L-Menthol, um hochwertiges L-Menthol zu erhalten. Dieser von Haarmann & Reimer perfektionierte Prozess stellte sicher, dass synthetisch hergestelltes Menthol chemisch identisch mit seinem natürlichen Gegenstück war. In einer Ausgabe des HR-Mitarbeitermagazin Contact wurde 1974 stolz verkündet: "Sobald die Kinderkrankheiten überwunden sind, wird bald ein sehr beträchtlicher Teil der weltweiten Menthol-Anforderungen synthetisch hergestellt werden."
Einer der Hauptvorteile dieser Innovation war die Reinheit des Endprodukts. Reines L-Menthol, unabhängig davon, ob es natürlich oder synthetisiert ist, liefert die gleiche Qualität in Bezug auf Geschmack, Duft und Funktionalität. Der Prozess von Haarmann & Reimer bot eine stabile, qualitativ hochwertige Versorgung, frei von den Unsicherheiten von Ernteschwankungen, Lieferengpässen und Preisschwankungen. Durch die wirtschaftliche Aufspaltung von D/L-Menthol in reines L-Menthol mit günstigen Rohstoffen aus der organischen Chemie konnte das Unternehmen ein Produkt anbieten, das von der natürlichen Version nicht zu unterscheiden ist.
Das Innovationsengagement von Symrise geht über die reine Produktion von l-Menthol hinaus und integriert Praktiken der Kreislaufwirtschaft für eine optimale Ressourcennutzung. Seit fast 50 Jahren perfektioniert Symrise ein hochmodernes Verfahren zur Herstellung von L-Menthol, das L-Menthol von D-Menthol in der Endphase der Veredelung trennt. Letztendlich wird D-Menthol wieder in den Prozess zurückgeführt, was zu nahezu null Abfall führt, und die Umweltbelastung minimiert.