Symrise liefert Tausende Minzprodukte als Kühl- und Geschmacksstoff, vor allem für Zahnpasta und andere Mundpflegemittel, aber auch für Süßspeisen und Getränke. Neben naturidentischem L-Menthol und L-Carvon sowie einer Vielzahl von Mintderivaten, wie z. B. Kühlwirkstoffe, die allesamt einer rückwärtsintegrierten Produktion entspringen und Symrise die Weltmarktführerschaft in Oral Care eingebracht haben, verwendet das Unternehmen auch natürliche Mintöle. Diese werden nachhaltig von Partnern in den USA angebaut und verarbeitet und sorgen für vielfältige Geschmacksprofile. Einblicke in die Minz­industrie bei einem Besuch im Zentrum des Bundesstaates Washington.

BIODIVERSITÄT, INNOVATION UND ENTWICKLUNG

Auf den ersten Blick sehen die Felder wenig vielsagend aus. Sie erstrecken sich über wenige Hundert Meter, auf ihnen stehen dicht an dicht kleine, gerade einmal 40, 50 Zentimeter hohe Pflanzen. Geht man aller­dings näher heran, sieht man Hunderte Bienen, die über den grünen Blättern und helllila Blüten summen – ein Paradies für Insekten. Ein wohlriechendes dazu, denn sobald die Hand die Pflanzen streift, riecht es intensiv und frisch nach – Kaugummi. Auf dem Feld in der Nähe des Örtchens Royal City im US-Bundesstaat Washington wird Spearmint – grüne Minze – angebaut, die neben den bekannten Kaustreifen auch viele andere Produkte aromatisiert.

Aus den verschiedenen Minzsorten hier und auf weiteren Hunderten Feldern im Nordwesten der USA in den Bundesstaaten Washington, Oregon, Idaho, Nevada und Kalifornien, werden ätherische Öle gewonnen. Die nutzt Symrise für eine ganze Reihe von Produkten: für Süßigkeiten und Kosmetikartikel, vor allem aber für Mundpflegeprodukte. „Die natürliche Minze kann eine große geschmackliche Vielfalt erzeugen“, sagt Arnold Machinek, während er eines der Blätter umdreht und auf die kleinen Flüssigkeits­bläschen zeigt, in denen das Öl steckt. „Der Rohstoff ist wirklich faszinierend“, erklärt der Symrise Flavorist, „und hier können wir uns von Grüner Minze über Pfefferminze bis zur Ackerminze alle für uns wichtigen Sorten anschauen.“

Der erfahrene Mitarbeiter machte Ende der 1970er-Jahre seine Lehre als Chemielaborant und arbeitet seitdem bei Symrise. Gerade steht er auf dem dritten Feld, das er heute besucht. Auf einer Rundreise trifft er verschiedene Zulieferer im Nordwesten der USA. Er fährt zu Landwirten, die die Minze anbauen, und zu Unternehmen, die diese verarbeiten und so die wertvollen Mintöle für Symrise produzieren. Das Erleben auf dem Feld ist für ihn wichtig, um das Produkt, mit dem er täglich arbeitet, besser zu verstehen. „Bei ätherischen Ölen geht es oft um Fehlnoten, also die Gerüche, die wir nicht im Produkt haben wollen“, sagt Machinek. Sie stören die Harmonie eines Geschmacks. Oft entstehen solche Noten schon auf dem Feld, wo trotz bester Pflege neben der Minze andere Pflanzen wachsen können, die eigene ätherische Stoffe in der Destillation mit einbringen. Hier in Royal City ist Machinek zufrieden, der Rohstoff sieht sehr gut aus.

„Natürliche Minze kann eine große geschmackliche Vielfalt erzeugen.“

Arnold Machinek
Symrise Flavorist

Jeff Cochran (mi.) zeigt Markus Diekmann (li.) von Symrise den Destillationsprozess im "Mint Tub".

Mit ihm unterwegs ist auch Markus Diekmann. Er ist als globaler Einkäufer für Symrise neben Minze für ein Dutzend weitere Naturstoffe zuständig. „Wie bei jedem Rohstoff ist es auch hier wichtig, nicht nur von einer Quelle abhängig zu sein“, sagt Diekmann. So besuchen die beiden Symrise Mitarbeiter gleich drei Firmen, die das Unternehmen beliefern: RCB International in Oregon, Labbeemint in Washington – und Norwest Ingredients, mit dessen Gründern, den Brüdern Terry und Jeff Cochran, Markus Diekmann hier auf dem Feld in Washington steht. „Für mich ist so ein Besuch ein bedeutender Bestandteil meiner Arbeit“, sagt der Einkäufer. „Ich muss die Firmen sehen und die Menschen kennenlernen – und ich muss auch technisch verstehen, wie die Prozesse funk­tionieren, vom Feld über das Labor bis in die Produktion.“ Nur so bekommt Diekmann die Einblicke, die ihm dann bei der Erweiterung des Portfolios oder auch bei den Preisverhandlungen helfen.

Während die Sonne an diesem heißen Tag hoch am Himmel steht, erläutert Jeff Cochran den beiden Symrise Experten, wie der Minzanbau funktioniert. Der ältere der beiden Cochran-Brüder führt auch einen landwirtschaftlichen Betrieb, Jet Farms, dessen Feld die Gruppe gerade anschaut. Es brauche immenses Erfahrungswissen, um vernünftige und quali­tativ hochwertige Ernten zu erzielen, sagt er. Wenn ein neues Feld gepflanzt werden soll, nehmen die Landwirte etwa 20, 30 Zentimeter lange Wurzelstöcke aus einem anderen neuen Feld und bringen diese in kleine Stücke geschnitten aus. „Die Minze schlägt neue Wurzeln, die danach für vier bis fünf Jahre für Pflanzen sorgen“, sagt Cochran. Um langfristig anbauen zu können, setzen die Landwirte auf eine Fruchtfolge etwa mit Kartoffeln oder Möhren. Acht bis zehn Jahre müssen die Felder minzfrei sein, auch um Krankheiten zu vermeiden. „Wir tauschen unsere Anbauflächen mit unseren Nachbarn, um das zu gewährleisten“, sagt Cochran. Seit über 40 Jahren hat er sich auf den Minzanbau konzentriert, daneben produziert er aber auch Kartoffeln, Bohnen und Heu.

Im ersten Jahr nach der Anpflanzung kann einmal geerntet werden, in den Jahren danach dann zweimal. Dabei geht es nicht nur um die erzeugte Menge. „Wenn wir zweimal schneiden, hat die Minze einen geringeren Anteil an Menthofuran“, sagt Cochran. Der Rohstoff funktioniert dann gut in Mundpflegeanwendungen. Bei einem Einzelschnitt hingegen steigt der Menthofuran-Anteil. Das daraus gewonnene Mintöl eignet sich besser für Süßigkeiten, weil es süßer, erdiger und öliger schmeckt.

Markus Diekmann ist als Einkäufer von Symrise unter anderem für Minzöle zuständig.

„Minze ist etwas Besonderes. Sie braucht nicht so viel Platz wie Mais oder Weizen, aber sie benötigt viel Wissen.“

Terry Cochran
Leiter Norwest Ingredients

Bei der Minzernte schneidet eine Maschine die Pflanzen und legt sie in langen Reihen ab.

Die Pflanzen sind ausreichend gewachsen, es ist seit Tagen knochentrocken – die Ernte kann heute be­ginnen. Zunächst fährt eine Maschine über das Feld, die die Pflanzen abschneidet und in langen Reihen zusammenfasst. Die Minze wird danach je nach Außentemperatur zwischen zwei und drei Tagen auf dem Feld liegen. „Sie muss erst trocknen, weil wir sonst bei der Destillation viel mehr Hitze bräuchten“, erklärt Terry Cochran. Er leitet Norwest Ingredients, das er 1998 gemeinsam mit seinem Bruder gründete.

Die Minze liegt den beiden im Blut, schon ihr Vater baute die Pflanze an. „Die Minze ist etwas Besonderes. Sie braucht nicht so viel Platz wie Mais oder Weizen, aber sie benötigt viel Wissen, auch in der Verarbeitung“, sagt Terry Cochran. In den kommenden Tagen wird eine weitere Maschine die Pflanzen­teile auf dem Feld kleinschneiden und in die sogenannten „Mint Tubs“ laden, die auf den ersten Blick wie übliche Lkw-Aufbauten aussehen. Sie sind aber eine Spezialanfertigung, mit der die Minze direkt in der Nähe der Felder destilliert werden kann. Terry Cochran führt die Gruppe auf einen Schotterplatz in der Nähe, auf dem einige Tubs stehen. „Wir versorgen die Destillationsanlage mit Dampf, der die Pflanzenteile rund anderthalb Stunden lang erhitzt“, beschreibt er den Prozess. Der Wasserdampf extrahiert das ätherische Öl aus der Pflanze, beim anschließenden Kondensieren trennen sich Wasser und Öl. „Die Überreste verwenden wir, um noch nachhaltiger zu werden“, sagt Cochran. „Die Landwirte streuen sie entweder als Bodendünger auf die Felder oder mischen sie in einigen Regionen auch dem Viehfutter bei“.

Norwest Ingredients bezieht etwa 5 % des Öls von Jet Farms, den Rest kauft es bei rund 80 Landwirten in den USA und Kanada sowie in Indien ein. Alle Öle werden im Labor von David Beaver analysiert. Der Chemiker und Forschungsleiter kennt die Unterschiede genau, er riecht schon kleinste Veränderungen in den Destillaten, die er zudem mit Analysegeräten wie etwa dem Gaschromatographen untersucht. „Die Öle sind oft unterschiedlich. Die Böden, die Wasserversorgung oder die Sonneneinstrahlung beeinflussen sie stark“, sagt der 55-Jährige, der seit 16 Jahren bei Norwest Ingredients arbeitet.

„Die Destillate haben ganz eigene Charakte­ristika, die wir hier bei uns zu Mischungen zusammenbringen.“

Chad Greenfield
Leiter Produktion Norwest Ingredients

Seine Aufgabe ist es unter anderem, gemeinsam mit den Technikern im Unternehmen dafür zu sorgen, dass die Qualitäten immer gleichbleiben. „Unsere Kunden machen uns klare Vorgaben, damit sie ihr spezielles Mintöl bekommen, das sich vom Wettbewerb unterscheidet.“ Gleichzeitig arbeitet er auch mit Hochschulen zusammen, um zum Beispiel die Minzpflanzen zu erforschen. „Wir können so vielleicht höhere Ernten erzielen oder die Resistenz der Pflanzen etwa gegen Pilze steigern.“ Das Unternehmen, das unter anderem Sedex-zertifiziert ist, verbessert zudem ständig seine Prozesse, um nachhaltiger wirtschaften zu können. Ein Drittel der Mintöle, die Norwest Ingredients liefert, sind zum Beispiel schon jetzt von der renommierten Sustainable Agriculture Initiative Platform (SAI Platform) FSA-verifiziert, auf Gold- und Silberniveau – die Zertifizierung erwartet Symrise zukünftig von allen Lieferanten. Unabhängige Experten haben dafür unter anderem die Pflanzengesundheit, das Wasser- und Energiemanagement, die biologische Vielfalt sowie die Arbeitsbedingungen in den landwirtschaftlichen Betrieben geprüft.

Für die Qualität steht auch Chad Greenfield ein, der die Produktion bei Norwest Ingredients leitet. Auch für ihn ist Mintöl nicht gleich Mintöl. Der 40-Jährige Chemiker nimmt zwei Spearmint-Proben in die Hand und riecht an ihnen. „Die Destillate haben ganz eigene Charakteristika, die wir hier bei uns zu den Mischungen zusammenbringen, die unsere Kunden wünschen.“ Auch Symrise macht Norwest Ingredients bestimmte Vorgaben, die sich wiederum auf Pro­dukte für die eigenen Kunden auswirken. Die Qualität und der Geschmack müssen immer gleich sein, damit auch die Endprodukte den Verbrauchern immer wieder dasselbe Erlebnis bieten.

Arnold Machinek ist zufrieden mit dem, was er sieht – und riecht. Minzsorten unterscheiden sich voneinander stark in ihren Profilen, sagt er, aber auch sortengleiche Öle können anders schmecken. „Das ist ähnlich wie beim Wein: Dieselbe Rebe kann je nach Anbauort und Verarbeitung ganz unter­schiedliche Weine produzieren.“ Je nach Anteil von Menthofuran etwa ist der Geschmack voller, andere Bestandteile bringen mehr Frische, beschreibt Machinek. Das spiegelt sich auch im enorm breit gefächerten Minz-Portfolio von Symrise wider. „Mehr als ein Dutzend unterschiedliche Mintöle kauft Symrise ein“, sagt Markus Diekmann. Insgesamt vertreibt das Unternehmen rund 2.000 Minz-Rezepturen. „Deswegen benötigen wir die gesamte Bandbreite der Minzaromen, von den sehr wichtigen naturidentischen bis hin zu den natürlichen Spezia­litäten wie von diesem Feld hier in den USA“, ergänzt Arnold Machinek.

Menthol: Das wichtigste Einzelprodukt

Symrise ist Weltmarktführer bei Mentholen und Derivaten, die es an rund 500 Kunden liefert, von globalen Konzernen bis zu mittelständischen Unternehmen. Diese stellen damit Mundpflegeprodukte wie Zahnpasta und Mundwasser, Süßigkeiten und Kaugummis oder Duschgels und andere Kosmetik­produkte her. Außerdem setzt die Pharmaindustrie Menthol wegen der kühlenden, durchblutungs­fördernden und schmerzlindernden Wirkung in Medikamenten ein.

Das Menthol gewinnt Symrise durch ein Verfahren, dass das Unternehmen vor fast 50 Jahren selbst entwickelt hat. In dem Prozess wird startend mit dem Rohstoff Thymol in der letzten Veredelungsstufe L-Menthol von D-Menthol getrennt. Das L-Menthol entspricht rein chemisch fast komplett dem Öl aus der Mentha Arvensis – der Acker-Minze – und kann wie dieses verwendet werden.

In dem Verfahren, das mittlerweile abwasserfrei funktioniert, werden an verschiedenen Stellen Zwischenprodukte wie das D-Menthol wieder in den Prozess zurückgeführt. Diese Form der Kreislaufwirtschaft verbessert die Ausbeute und verringert die Menge der Abfallprodukte. Menthol ist eines der bedeutendsten Einzelprodukte im Portfolio von Symrise und wird in Holzminden in Deutschland und in Bushy Park in den USA hergestellt. Dort erfolgt der Kristallisationsprozess, der schließlich dem Menthol seine Form gibt, inzwischen lösemittelfrei. Zudem wurden durch eine Kraft-Wärmekopplungsanlage in Bushy Park die CO2-Emissionen pro Jahr um 800 bis 1.000 Tonnen reduziert.