Für ihr Masterpiece als Parfümeurin hat Anne Dussourt den CO2-Fußabdruck von Duftkreationen untersucht. Ihre Arbeit, bei der sie vom Symrise-Nachhaltigkeitsteam unterstützt wurde, ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zu den Klimazielen des Konzerns.

INNOVATION UND ENTWICKLUNG

Anne Dussourt steht im Labor im Hauptgebäude von Symrise im Pariser Stadtteil Clichy. Mit einer Pipette tropft sie genau 3,5 Gramm eines Riechstoffs in ein gläsernes Gefäß, in dem sich schon einige Zentiliter einer klaren Flüssigkeit befinden. Vorsichtig schüttelt sie das Glas, steckt einen Riechstreifen aus Papier hinein, zieht diesen heraus und nähert sich vorsichtig mit ihrer Nase. Sie riecht daran, nickt: Die Komposition gefällt ihr.

Die Arbeit im Labor gehört zum Alltag der 29-Jährigen. Sie hat Chemie in Straßburg und danach an der renommierten Parfümeurschule ISIPCA in Paris studiert, bevor sie im September 2023 ihren Abschluss als Parfümeurin bei Symrise gemacht hat. Jetzt entwickelt sie Parfümmischungen am Computer, lässt diese zusammenmischen und testet sie. Ab und zu übernimmt sie den manuellen Vorgang aber auch selbst, um einen direkten Eindruck zu bekommen. Über ihre tägliche Arbeit hinaus hat Anne Dussourt aber ein weitaus größeres Ziel vor Augen: Sie will dabei helfen, den CO2-Abdruck von Parfümen zu mini­mieren. Eine große Aufgabe, denn Symrise hat mehr als 1.000 Rohstoffe in der Palette, die momentan aktiv für neue Rezepturen genutzt werden.

„Wir stehen vor einer Herausforderung auf mehreren Ebenen: Düfte müssen weiterhin so gut wie früher riechen, in Anwendungen funktionieren, den Regularien entsprechen und preislich vergleichbar sein.“

Anne Dussourt,
Parfümeurin 

Die Symrise-Parfümeurin Anne Dussourt hat den Einfluss des CO2-Fußabdrucks auf die Kreation von Düften untersucht.

Fünf Jahre dauert die Ausbildung an der Symrise-Parfümeurschule. Im Rahmen ihres Masterpieces hat Anne Dussourt den Einfluss des CO2- Fußabdrucks auf die Kreation von Düften untersucht. In einem typischen Parfümflakon werden zwar nur wenige Gramm Duftöl verwendet, die Menge aber macht den Unterschied. Weltweit werden jährlich Abermillionen Parfüme alleine in der Feinparfümerie verkauft. Duftstoffe werden zudem in Waschmitteln und Shampoos, Seifen und Cremes eingesetzt. Anne Dussourt nennt eine weitere Zahl: „Der durch­schnittliche Franzose verursacht acht bis zwölf Tonnen CO2 pro Jahr. Die Duftstoffe nehmen zwar nur einen winzigen Bruchteil davon ein, aber wir können in der Masse dennoch dazu beitragen, dass weniger Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen.

Nachhaltigkeit ist für Anne Dussourt enorm wichtig. Schon für das Examen als Junior-Parfümeurin beschäftigte sie sich mit bioabbaubaren und erneuerbaren Rohstoffen. „Nachhaltigkeit ist Teil der Kreation“, sagt sie, „wir müssen das Thema immer wieder neu denken und umsetzen.“ Im Masterpiece entwickelte sie ihre Ideen weiter, evaluierte sie und kreierte eine Reihe von Parfümen, die auf unterschiedliche Nachhaltigkeitsparameter fokussierten. Eine Runde aus erfahrenen Managern, Parfümeuren und Personalverantwortlichen beurteilte die Kreationen.

Seynabou Ndao analysierte das Rohstoffportfolio von Symrise, um herauszufinden, wie viel CO2 während der Wertschöpfungskette ausgestoßen wird.

Unterstützt wurde sie dabei von Seynabou Ndao. Die 24-Jährige, die sich in ihrem Chemiestudium vor allem mit Nachhaltigkeit und Grüner Chemie auseinandergesetzt hat, startete als Praktikantin bei Symrise. Sie analysierte, wie viel CO2 während der gesamten Wertschöpfungskette bis zur Fertigstellung des Parfüms ausgestoßen wird – vom Anbau der einzelnen Rohstoffe bis zum Mischen in den Laboren. Mehrere Monate lang analysierte sie das Rohstoffportfolio und sammelte Informationen ein. „Bei manchen Materialien, wie zum Beispiel Alkoholen oder Estern, ist das relativ einfach, weil die Prozesse so klar aufgebaut und gut dokumentiert sind“, sagt die Chemieingenieurin, die aus dem Senegal stammt und in Frankreich studierte. Die Stoffe, die Symrise im Werk in Jacksonville in den USA aus Seitenströmen produziert, ließen sich zum Beispiel relativ leicht clustern und bewerten, sagt Seynabou Ndao. „Bei ätherischen Ölen, die aus natürlichen Rohstoffen wie Pflanzen stammen, ist das hingegen deutlich komplexer.“ Sie arbeitet kontinuierlich daran, die Datenqualität zu verbessern. Dafür bezieht sie auch die Zulieferer mit ein: „Wir arbeiten eng mit ihnen zusammen, um sie auf ihrem Weg zu unterstützen.“

Das Thema hat generell für Symrise seit dem Jahr 2022 enorm an Fahrt aufgenommen. „Der CO2-Fußabdruck der Rohstoffe und Duftkompositionen wird für unsere Kunden immer wichtiger“, sagt Philippa Smith, Nachhaltigkeitsdirektorin Scent & Care bei Symrise. „Wir haben uns deswegen frühzeitig damit beschäftigt, unsere Rohstoffpalette zu untersuchen, und sind stolz auf dieses Projekt. Es ist bahnbrechend für unsere Industrie.“ Der Innovationsgrad des Masterpieces ist sehr hoch. „Vor meiner Arbeit gab es keine klare Definition dafür, was ein niedriger CO2-Fußabdruck für ein Parfüm bedeuten soll“, sagt Anne Dussourt. „Die Verknüpfung der Duftkreation mit den Daten des CO2-Fußabdrucks in unserem System war ein wichtiger Teil des Projekts.“

Zur Optimierung von Duftkompositionen gehört auch das Testen verschiedener Alternativen.

In ihrer Masterarbeit konzentrierte sich Anne Dussourt auf die Anwendung der Nachhaltigkeitsdaten auf die Parfüme. Sie kreierte verschiedene Duftkomposi­tionen, die Symrise-Kunden zum Beispiel in Shampoos, Duschgels und Deodorants einsetzen. Dafür kreierte sie zunächst eine konventionelle Komposition, wie ein Shampoo mit einem fruchtigen Duft. Bei den weiteren Mischungen ersetzte sie verschiedene Inhaltsstoffe, um den CO2-Ausstoß zu verringern und möglichst viele bioabbaubare und erneuerbare Rohstoffe zu verwenden. „Wir konnten dabei zeigen, dass wir zum Beispiel den CO2-Fußabdruck um bis zu 20 % reduzieren konnten“, sagt Anne Dussourt. Dabei stellte sich heraus, dass bestimmte Duftbestand­teile einfacher, andere schwieriger zu ersetzen sind. Ein positives Ergebnis war, dass durch eine sorgfältige Auswahl die Kosten und die Performance gehalten werden konnten.

Nur den CO2-Fußabdruck zu bestimmen, reicht aber nicht aus. Die Industrie kann nicht einfach auf Duftstoffe verzichten, die einen hohen CO2-Ausstoß haben. „Wir stehen vor einer Herausforderung auf mehreren Ebenen: Düfte müssen weiterhin so gut wie früher riechen, in Anwendungen funktionieren, den Regularien entsprechen und preislich vergleichbar sein“, sagt Anne Dussourt. Dazu kommt, dass die Kunden von Symrise oft unterschiedliche Ansprüche haben, was etwa die Bioabbaubarkeit der Produkte oder Erneuerbarkeit der Rohstoffe angeht. Außerdem wollen sie sich untereinander differenzieren.

„Nachhaltigkeit ist deutlich mehr als die Verhinderung von Treibhausgasen.“

Philippa Smith,
Sustainability Director Scent & Care

Auch die Konsumenten kaufen nur, was ihnen auf allen Ebenen gefällt: Sie wollen Nachhaltigkeit, aber eben auch den gewohnten Wohlgeruch. Dazu gehört auch, dass ein Duftstoff, etwa in einem Waschmittel, nicht sofort verfliegen darf. Er muss auch dann noch wahrnehmbar sein, wenn ein Kleidungsstück nach einer Weile aus dem Schrank geholt wird. Weil manche Moleküle mit anderen nur auf spezielle Weise zusammenwirken, können die Parfümeure auch nicht einfach Rohstoffe gegen andere austauschen. Gleichzeitig sind bestimmte Stoffe essenziell für ein Parfüm: „Wir benötigen als Basisnote zum Beispiel moschusartige Nuancen, die oft einen höheren CO2-Fußabdruck haben. Sie sorgen aber auch für die Haltbarkeit“, sagt Anne Dussourt. Gerade an diesen Stellen lassen sich wiederum große Einspareffekte erzielen, wenn es gute Ersatzstoffe oder andere Kompositionen gibt.

Ein Weg dorthin sind die Captives – Duftstoffbestandteile, die Symrise entwickelt und patentiert hat und exklusiv für 20 Jahre einsetzen darf. „Die Stoffe werden fast immer nach den Prinzipien der Grünen Chemie aus Seitenströmen anderer Branchen produziert und sind deswegen sehr nachhaltig“, sagt Anne Dussourt. Auch Philippa Smith kennt mehrere Stellschrauben, an denen Symrise drehen kann. „Wir werden die Zulieferer darauf ansprechen, dass sie diese Stoffe nutzen können, um den CO2-Fußabdruck zu senken“, sagt die Nachhaltigkeitsmanagerin. Symrise ist nah dran an den Erzeugern. Das ermöglicht es dem Unternehmen, die Zulieferer auszuwählen, die am nachhaltigsten arbeiten. „Wir entscheiden zudem selbst, was wir ins Portfolio aufnehmen und können so ebenfalls auf die CO2-Werte achten. Und wir haben einen großen Einfluss in der Kreation, in der wir bestmögliche Kompositionen zusammenstellen können.“ Dafür rollt das Team die Erkenntnisse für alle Parfümeure rund um die Welt aus, um Fragen zu beantworten, aber auch die Aufmerksamkeit für das Thema zu steigern.

Philippa Smith und Anne Dussourt setzen beide aber auch die Arbeit am CO2-Fußabdruck in Perspektive: „Nachhaltigkeit ist deutlich mehr als die Verhinderung von Treibhausgasen“, sagt Philippa Smith. „Das Thema ist hochkomplex, wenn wir die anderen Dimensionen von Nachhaltigkeit einbeziehen“, ergänzt auch Anne Dussourt. In Madagaskar zum Beispiel, wo Symrise eine Reihe von Naturstoffen destilliert, steht das soziale Engagement für die Kleinbauern im Fokus, in Indien die Unterstützung für die Communitys durch klimagerechte Landwirtschaft, etwa durch eine solarbetriebene Bewässerung. Gleichzeitig haben Naturstoffe den Nachteil, dass sie große Flächen verbrauchen, aber den Vorteil, dass sie die Biodiversität unterstützen. „Wir müssen deswegen immer schauen, wie wir die Produkte in allen Bereichen verbessern können“, sagt Philippa Smith. Dafür sollen in den kommenden Jahren die Daten als Grundlage optimiert und damit auch immer mehr Duftkomposi­tionen nachhaltiger werden. „Wir werden weiter an dem Thema arbeiten, um immer bessere und nachhaltigere Rohstoffe nutzen und damit ebenso nachhaltige Kreationen entwickeln zu können“, sagt Anne Dussourt. „Unsere Reise hat erst begonnen.“