Sich den ganzen Tag mit Aromen beschäftigen, Speisen probieren, riechen, schmecken und die Geschmackseindrücke dann nachempfinden – und das alles in einer interkulturellen Gruppe mit anderen jungen Menschen: Die fünf Nachwuchskräfte von Symrise, die in der Flavor Academy zu Flavoristen ausgebildet werden, erfüllen sich ihren beruflichen Traum.

INNOVATION UND ENTWICKLUNG

Das erste, was auffällt, wenn sich die Tür zur Flavor Academy öffnet: Es wird ge­lacht. Und das, wie man nach einigen Minuten merkt, nicht selten. Die fünf 21- bis 31-Jährigen, die hier in den zwei Räumen lernen, haben viel Spaß bei ihrer Ausbildung, auch wenn diese ambitioniert und damit sehr arbeitsreich ist. Zwei von ihnen sind Suttipong Phosuksirikul aus der thailändischen Hauptstadt Bangkok und Diana Salazar aus Mexico City – die anderen drei kommen aus Singapur, Deutschland und den USA.

Suttipong Phosuksirikul und Diana Salazar stehen gerade mit Master-Flavorist Thomas Riess vor einem Labortisch. Sie haben drei Mandarinen durchgeschnitten und riechen immer wieder an den frischen orangen Hälften. „Fruchtig, saftig und schalig, klar“, beschreibt Diana Salazar den Geruch. „Esterig und aldehydig“, ergänzt Suttipong Phosuksirikul. Im nächsten Schritt sollen die beiden Moleküle nennen, mit denen sie das Aroma der Südfrucht nachbilden würden. Sie beginnen mit einer Liste und überlegen gemeinsam, welche Stoffe sie in welchem Verhältnis einbauen würden. Danach nehmen sie die kleinen Glasbehälter mit den jeweiligen Rohstoffen aus dem Regal und setzen sich an die Präzisionswaage. Mit Pipetten tröpfelt Diana Salazar die sieben, acht Zutaten, für die sie sich entschieden haben, in ein Becherglas. Manchmal sind es 0,1 ppm, dann auch mal 10 ppm – also millionstel Teile, die am Ende einen Geschmack ergeben sollen. Sie experimentieren, machen mehrere Versuche und schreiben ihre Erfahrungen auf.

Stoffe lernen die Schüler in der Academy kennen.

„Wir können mit der Flavor Academy ein gleiches Level an Wissen für alle globalen Standorte schaffen und so den Austausch fördern.“

Katharina Reichelt
Leiterin der Flavor Academy

Training für den Nachwuchs

Diese Übung soll den Flavorist Trainees, die alle schon eine qualifizierte Ausbildung hinter sich haben, zeigen, wie komplex Aromen sind. „In der Flavor Academy lernen sie mehr als 500 Stoffe kennen, die sie immer wiedererkennen und anwenden können müssen“, beschreibt Master-Flavorist Thomas Riess, der seit 30 Jahren im Unternehmen arbeitet. Gemeinsam mit 30 bis 40 erfahrenen Kolleginnen und Kollegen leitet er die fünf Nachwuchskräfte an. Das Team leistet für die jungen Leute ein breites Ausbildungsprogramm, vom Flavoristen-Beruf über regulatorische Kenntnisse und Präsentationstechniken bis hin zu Einblicken in die Produktion.

Dr. Katharina Reichelt, die selbst vor fast zehn Jahren das Programm durchlief, leitet heute neben der Gruppe der Forschungs­flavoristen auch die Flavor Academy. „Die Flavor Academy gibt es seit mehr als 15 Jahren, zuvor wurden die Flavoristen mehr im Training on the Job ausgebildet“, erzählt die promovierte Ernährungswissenschaftlerin von den Anfängen der Academy. Mit dem globalen Wachstum von Symrise wurde immer klarer, dass eine gemeinsame und gebündelte Ausbildung im Segment Taste, Nutrition & Health Sinn ergeben würde. „Wir können mit der Flavor Academy ein gleiches Level an Wissen für alle globalen Standorte schaffen und so den Austausch fördern: mit unserem Stammsitz hier in Holzminden, aber auch unterein­ander.“ Laut Katharina Reichelt bewerben sich jährlich rund 20 Kandidatinnen und Kandidaten für die Flavor Academy oder werden von ihren Führungskräften auf die Ausbildung hingewiesen.

Katharina Reichelt hat selbst die Flavor Academy durchlaufen und ist nun für die Ausbildung der Nachwuchskräfte verantwortlich.

In einem aufwändigen Assessment Center werden die jungen Leute anschließend geprüft. Relevantes Vorwissen ist eine wichtige Voraussetzung. Sie müssen zum Beispiel als Chemielaboranten ausgebildet sein oder einen Bachelor in Lebensmitteltechnologie, Lebensmittelchemie, Chemie oder Ernährungs­wissenschaften und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung vorweisen können. „Wir brauchen Menschen, die zudem gut kommunizieren können, weil sie später viel mit unseren Kunden zu tun haben werden und vor allem im Team funktionieren müssen“, sagt Reichelt. Außerdem sollten sie sich mit Trends auskennen oder sich zumindest sehr dafür interessieren, das technische Grundlagenwissen haben und natürlich sensorisch fit sein. „Im Assessment Center müssen sie sich zum Beispiel am ersten Tag Gerüche und Geschmäcker einprägen und diese am nächsten Tag wiedererkennen und beschreiben können“, erklärt die erfahrene Flavoristin.

Kreative Lehrjahre

Ab Oktober des jeweiligen Jahres kommen die fünf jungen Leute, die es geschafft haben, nach Holzminden in die Flavor Academy. Dort lernen sie zunächst eine gemeinsame Geschmackssprache, in der sie sich über Aromen und Gerüche unterhalten können. Sie arbeiten dabei mit Begriffen wie „erdig“, „holzig“ oder „karamellig“ und verbinden diese mit Geschmacksnoten, die sie gemein­sam entwickelt haben.

Anschließend machen sie sich mit verschiede­nen Rohstoffen vertraut, verkosten und beschreiben diese, von Einzelstoffen wie Vanillin bis zu ätherischen Ölen, Extrakten oder Ester-Verbindungen. Eine weitere Aufgabe ist es, fertige Marktprodukte zu probieren, ihren Geschmack nachzubilden und sich die Vorgehensweise gegenseitig zu erklären. „Es kann später ja sein, dass ein Kunde sagt, das Aroma gefällt mir, aber die Grünnoten passen noch nicht“, nennt Katharina Reichelt ein Beispiel. Gemeinsam muss das Team dann die grünen Noten wie Gras oder Paprika verändern und berücksichtigen, wie diese mit anderen Geschmacksnoten interagieren.

Rund 20 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich jährlich für die Schule.

Gemeinsam erriechen die angehenden Flavoristen Hunderte verschiedener Aromen.

Diana Salazar beschäftigt sich eingehend mit dem Geschmack und dem Duft vieler verschiedener Produkte.

Nach der Grundausbildung, die bis zum Mai des darauffolgenden Jahres geht und mit einer Zwischenprüfung abgeschlossen wird, wechseln die fünf Nachwuchs-Flavoristen zum Training on the Job in ihre Heimatländer. Dort arbeiten sie eng angebunden an einen erfahrenen Flavoristen im Tagesgeschäft mit, wechseln zum Teil noch einmal die Standorte und Geschäftsbereiche und kommen schließlich für ihre Abschlussarbeit – ihr „Meisterstück“ – nach Holzminden zurück. Dieses müssen sie am Ende ihrer zweijährigen Ausbildung abliefern. „Dafür bekommen sie ein Projekt, das dem eines Kunden nachempfunden ist“, erklärt Katharina Reichelt. „Sie erstellen in zweieinhalb Wochen eine Aromakomposition, die verschiedene Vorgaben hat. Dabei dürfen sie zum Beispiel nur natürliche Rohstoffe verwenden und müssen eine bestimmte Preisvorgabe einhalten.“

Wenn sie die Prüfung bestanden haben, werden sie zunächst zu Junior-Flavoristen ernannt. Nach weiteren zwei Jahren können sie dann zum Flavoristen und nach acht bis zehn Jahren zum Senior- beziehungsweise Master-Flavoristen aufsteigen. „Wir wollen gerne, dass die jungen Leute bei uns Karriere machen“, sagt Katharina Reichelt. „Deswegen setzen wir stark auf junge Talente, die wir schon kennen und die uns dementsprechend auch verbunden sind.“

Guten Geschmack auf wissenschaftlicher Basis zu kreieren, das entspricht mir sehr.Diana Salazar, Schülerin

Mit Leidenschaft im Beruf

Für Diana Salazar ist der Job schon jetzt ein Traum. „Nach einem Praktikum im Labor bei der Getränkeentwicklung habe ich bei Symrise als Assistentin eines Flavoristen gearbeitet und dabei die Arbeit kennengelernt“, erinnert sich die 26-Jährige. Der Beruf verknüpft für sie viele Dinge, die sie liebt: Sie hat Mathematik und Chemie studiert, kocht sehr gerne, vor allem die vielfältigen mexikanischen Gerichte ihrer Heimat. Und sie tanzt und choreo­graphiert. „Guten Geschmack auf wissenschaftlicher Basis zu kreieren, das entspricht mir sehr“, erzählt sie. Ihr Kollege Suttipong Phosuksirikul bekräftigt das mit einem energischen Nicken. Der 31-Jährige stammt aus einer Familie, die ein kleines Restaurant führt. Das Kochen ist ihm also in die Wiege gelegt worden und egal, wo er heute ist: Er probiert immer die lokalen Spezialitäten. Nach seinem Master in Lebensmitteltechnologie und verschiedenen Jobs in der Branche arbeitet er nun seit zweieinhalb Jahren bei Symrise. „Als ich von der Flavor Academy hörte, war ich sofort begeistert“, sagt Suttipong Phosuksirikul. „Die Verbindung aus Wissenschaft und kre­ativer Küche ist für mich einfach ideal.“