Im südfranzösischen Grasse lässt Symrise die mehr als 150 Jahre alte Marke Maison Lautier wieder aufleben. Dafür baut das Unternehmen eine eigene Fabrik und geht enge Kooperationen mit Landwirten ein, in der Region, aber auch weltweit. So soll in den kommenden Jahren ein umfangreiches Naturstoffportfolio entstehen, das die Duftstoffe, die in Holzminden und auf Madagaskar hergestellt werden, ergänzt.

INNOVATION UND ENTWICKLUNG

Die Saison ist schon lange vorüber. Weil es aber lange warm war, ist auf dem Rosenfeld von Floriane und Albin Coulomb noch genau eine Blüte zu finden. Der Duft der Centifolia, so heißt die Rosensorte, lässt erahnen, welche Wirkung es hat, wenn der gesamte, 2,3 Hektar große Acker in voller Blüte steht. Die Rose riecht intensiv, ein wenig süßlich, und gehört zu der Region rund um Grasse wie kaum eine andere Pflanze. Hier, im weltweiten Zentrum der Duftproduktion, in der schon im 16. Jahrhundert Parfüms hergestellt wurden, hat das Ehepaar Coulomb im Jahr 2021 mit der Rosenproduktion begonnen.

Albin Coulomb hat als Jugendlicher eine Ausbildung zum Landwirt gemacht. Danach war der heute 36-Jährige in anderen Jobs tätig, genau wie seine Frau. Nun wollen die dreifachen Eltern in der Branche arbeiten, in der schon Albin Coulombs Großvater und Urgroßvater tätig waren, als Rohstoff-Lieferanten für die Duftindustrie von Grasse. „Ich finde den Anbau spannend, weil wir ein großartiges, traditionsreiches Produkt anbieten können“, sagt der Landwirt, der in einem großen Garten neben seinem Haus auch Jasmin anbaut. Die beiden Pflanzen gehören seit Jahrhunderten zum Grundstock der Parfümerie, ihre Öle werden teuer gehandelt und in zig berühmten Parfüms eingesetzt. Floriane und Albin Coulomb stecken viel Zeit in ihren neuen Beruf, um die besten Produkte zu erzeugen: Sie pflanzen neue Rosenstöcke, in den nächsten zwei Jahren insgesamt 12.000. Was rundherum wächst, pflügen sie unter, um den Boden zu düngen – und sie verzichten auf Pestizide, weil das gesamte Feld bio-zertifiziert ist. Dann ernten sie, ungefähr ein halbes Kilogramm Blüten pro Pflanze.

Camille Quintin lässt sich die Fortschritte auf dem Feld des Ehepaars gerne erklären. Der Manager ist für die gesamte Lieferkette verantwortlich, die Symrise gerade unter der Marke Maison Lautier aufbaut. Das Unternehmen hat den renommierten Namen seit mehr als 20 Jahren im Portfolio, ohne ihn zu nutzen. Das ändert sich nun, Symrise füllt die Tradition von zwei Jahrhunderten Duftproduktion mit neuem Leben. Einen Beitrag dazu leisten die Rosenblüten von dem Feld, das Camille Quintin heute besucht. „Wir wollen langfristige Partnerschaften mit lokalen Landwirten aufbauen und so auch die Vielfalt an Blumen und Pflanzen in unserer Region fördern“, sagt der Manager.

Die Rohstoffe aus der Region werden eine der Grundlagen für das neue Werk sein, das der Konzern in den kommenden Jahren 30 Minuten entfernt vom Rosenfeld des Ehepaars Coulomb für Maison Lautier baut. Dort, nahe der Gemeinde Saint-Cézaire-sur-Siagne, wird Symrise ganz besondere Produkte herstellen: Duftstoffe, die ausschließlich aus natür­lichen Quellen stammen. Sie bilden die Produktlinie „Artisan“ von Maison Lautier (siehe Kasten unten). Insgesamt sollen unter dieser Marke in Zukunft rund 50 Duftstoffe vermarktet werden.

„Mit Technologien wie ,Cold Treatment‘ oder ,Symtrap®‘, die Symrise entwickelt hat, habe ich noch nicht gearbeitet. Das finde ich sehr interessant.“

Dominique Maubant
Chemiker

Bis das Portfolio komplett ist, bleibt noch viel zu tun. Dominique Maubant analysiert schon seit Monaten neue Duftstoffe. Der erfahrene Chemiker, der seit über 25 Jahren in Grasse arbeitet, hat sich auf Naturstoffe spezialisiert. Er war unter anderem in der Destillation beschäftigt, in der Qualitätskontrolle und in der Forschung, entwickelte Absolues und Concretes. Sein Wechsel zu Symrise hat auch mit Neugierde zu tun, sagt er. „Mit Technologien wie ,Cold Treatment‘ oder ,Symtrap®‘, die Symrise entwickelt hat, habe ich noch nicht gearbeitet. Das finde ich sehr interessant.“ Naturstoffe sind komplex, das macht Dominique Maubant klar, während er verschiedene Patschuli-Öle destilliert: „Wir müssen die richtigen Duftprofile treffen. Schon kleine Abweichungen sorgen dafür, dass diese später in der Komposition nicht mehr funk­tionieren.“

Anschließend steigt er die Treppe hinauf, zu den eingerichteten Büros. Dort trifft er auf Camille Quintin, der vom Rosenfeld zurückgekehrt ist. Auch der Manager kennt sich mit den Rohstoffen sehr gut aus, er war mehrere Jahre für Symrise unter anderem in Madagaskar tätig. Die beiden Experten schauen sich gemeinsam regelmäßig Materialien an. Heute sind es Harze, unter anderem Myrrhe und Opopanax aus Somalia. „Für uns ist es wichtig, die richtigen Lieferanten zu finden, die uns zuverlässig und qualitativ hochwertig versorgen“, erklärt Quintin. Der Prozess dafür ist aufwändig: Vielversprechende Rohstoffe werden nach den Versuchen in Dominique Maubants Labor zum Beispiel nach Holzminden geschickt; auch die Kollegen von SFA Romani beteiligen sich an der Qualitätskontrolle.

Im Labor von Maision Lautier arbeitet Dominique Maubant (im Hintergrund) mit einem Praktikanten daran, Duftstoffe aus natürlichen Rohstoffen zu entwickeln.

Die Zusammenarbeit im Konzern ist gut, und sie soll dabei helfen, dass Maison Lautier in den kommenden Jahren ein umfangreiches Portfolio aufbauen kann. Die Kunden stammen zunächst aus der Parfümbranche. „Wir wollen unser Angebot aber auf den gesamten Bereich Scent & Care ausweiten“, sagt Camille Quintin. Diese Breite spiegelt sich auch in Rohstoffen wie den Harzen aus Somalia oder den Rohstoffen aus Madagaskar wider. Gleichzeitig nimmt Maison Lautier einen Trend auf, der die gesamte Branche erfasst hat. „Die Kunden legen Wert darauf, dass die Duftstoffe regional produziert werden, das gilt auch für Frankreich, wo es traditionell viele Parfümhersteller gibt“, sagt Quintin. Mit Grasse hat das Unternehmen den idealen Standort: „In der gesamten Region herrscht ein einzigartiges Klima für typische Parfümpflanzen und -blumen – und es gibt eine lange Tradition und Kompetenz in der Parfümerie, die für maßgeschneiderte Produkte sorgt.“

„Wir wollen langfristige Partnerschaften mit lokalen Landwirten aufbauen und so auch die Vielfalt an Blumen und Pflanzen in unserer Region fördern.“

Camille Quintin
Manager

Maison Lautier: beste Duftstoffe aus aller Welt 

Als der Handschuhmacher François Rancé im Jahr 1795 im südfranzösischen Grasse damit begann, mit Duftstoffen aus Blumen und anderen Pflanzen zu handeln, wusste er nicht, wie erfolgreich das von ihm gegründete Unternehmen werden sollte. Über viele Jahre, sogar Jahrhunderte, lief das Geschäft hervorragend. Die Marke Maison Lautier, die sich im 19. Jahrhundert daraus entwickelte, wurde sogar zu einer der bekanntesten in der Duftstoffindustrie. Nun hat Symrise sie wiederbelebt und erneuert, mit einem Standort in der Nähe von Grasse und mit einer weltumspannenden hochqualitativen Rohstoffbasis, die im engen Kontakt mit den Erzeugern entsteht.

Unter der neuen Marke gibt es drei Produktlinien. In Grasse ist die „Artisan“-Linie angesiedelt, die als Rohstoffe Pflanzen und Blumen vor allem aus der Region, aber auch aus weltweiten Quellen verwendet. Für die „Madagaskar“-Linie nutzt Symrise die engen Kontakte zu der afrikanischen Insel, die mit dem Rohstoff Vanille schon seit 15 Jahren bestehen. Die Wertschöpfungskette von der Pflanze bis zum ätherischen Öl ist rückwärtsintegriert. Symrise übernimmt also vorgelagerte Fertigungsschritte und arbeitet dafür eng mit lokalen Kleinbauern zusammen, die davon auf vielen Ebenen profitieren – etwa durch Bildungs- und Gesund­heits­angebote und beim Aufbau einer nachhaltigen und erfolgreichen Landwirtschaft.

Die Linie „Supernature“ vereint die besten Rohstoffe aus der Natur mit Prozessinnovationen. Sie setzt zum Beispiel auf innovative Beschaffungs- und Bearbeitungstechniken sowie Upcycling, um Materialien zu gewinnen, etwa aus Seitenströmen der Lebensmittelproduktion. Eine erste Kollektion mit Rohstoffen aus allen drei Linien stellte Symrise schon im Sommer 2022 auf dem World Perfumery Congress in Miami, Florida, vor. Dazu gehörten zum Beispiel Vanille, Geranie und Mandarine aus Madagaskar, Erdbeere, Apfel und Cranberry aus der Supernature-Reihe und Iris, Sandelholz, Jasmin und Boya für die Artisan-Reihe.