Patschuli-Öl ist einer der wesentlichen Rohstoffe für die Parfüm­industrie. Der Großteil der Pflanzen wird in Indonesien angebaut und verarbeitet. Wie lange noch, ist allerdings ungewiss, weil die Landwirtschaft nicht nachhaltig genug funktioniert. Um das zu ändern, hat Symrise gemeinsam mit dem Zulieferer Van Aroma auf der Insel Sulawesi ein Projekt ins Leben gerufen, das den umweltschonenden Patschuli-Anbau und die ­sichere Versorgung mit qualitativ hochwertigem Öl auch für die Zukunft gewährleistet. Gleichzeitig soll es die Lebens­bedingungen der Bauern ­verbessern – und es steht für das Engagement beider Unternehmen, die Ökosysteme nachhaltig zu schützen.

Knapp über dem Boden schneidet Samsir die Patschuli-Pflanze, die er später nach der Trocknung in seiner Destillationsanlage zum wertvollen Rohöl verarbeiten wird. Der 47-Jährige ist einer von 500.000 Landwirten, die die Parfümpflanze in Indonesien anbauen.

Samsir schneidet mit einer kleinen Gartenschere die Patschuli-­Pflanze einige Zentimeter über der trockenen Erde ab. Die Sonne brennt heiß auf den hügeligen Acker, der tief im Dschungel und weit weg von jedem Dorf im Süden der indonesischen Region Kolaka liegt. Das Feld ist nur über holprige steile Straßen mit gelän­degängigen Autos zu erreichen. Der 47-Jährige baut auf drei Hek­tar Patschuli an. Er legt das abgeschnittene Grün zum Trocknen auf Planen aus. Die Pflanzen, die er einige Tagen zuvor geerntet hat, schneidet er wenig später in zehn Zentimeter lange Stücke – mit einem langen Messer, das er selbst aus einem geschärften Autoblech hergestellt hat. Die Abfolge ist wichtig, weil mehr von dem wertvollen Öl in den Pflanzen verbleibt, wenn sie erst im getrockneten Zustand zerkleinert werden.

Anschließend trägt der Bauer die prall gefüllten Säcke zu seiner Rohöldestillation, die an der von Schlaglöchern übersäten Straße rund 200 Meter entfernt liegt. Ein Mitarbeiter hat schon das Feuer unter dem großen Kessel angezündet. Das Wasser kocht bereits. „Wenn es anfängt zu dampfen, können wir die getrock­neten Patschuliblätter direkt von oben einfüllen“, erklärt Samsir das Vorgehen. Innerhalb von Sekunden ist die Luft vom intensiven Geruch des Parfümöls erfüllt, das über den Dampf weitertransportiert wird. In einem Rohr kühlt es anschließend langsam ab. Das Öl trennt sich vom Wasser und fließt in einen Eimer. Rund 600 g erzielt der Landwirt aus 30 kg getrockneten Blättern. Samsir ist einer von wohl mehr als 500.000 Bauern, die neben Mais, Soja, Kakao, Cashew- oder Kokosnüssen auch Patschuli ­anbauen. Die Pflanze ist eine wichtige Lebensgrundlage für sie. Auch wenn manche von ihnen nicht mehr als vier oder fünf Liter des kost­baren Öls pro Woche erzeugen, liefert es wegen seines ­hohen Werts doch einen großen Teil des Einkommens.

Patschuli in der Top 10 der natürlichen Duftrohstoffe

Für die Duftindustrie hat Patschuli eine ebenso hohe Bedeutung: Es findet sich in einer Vielzahl von Anwendungen. Symrise nutzt es zum Beispiel in der ganzen Breite der Produktpalette, von Waschmitteln über Duschgel und weitere kosmetische Produkte bis hin zu den feinen Parfüms, in denen es die Basis- und Mittelnoten bildet und für Langlebigkeit sorgt. „Das Öl gehört zu den Top 10 ­unserer natürlichen Rohstoffe im Duftbereich“, erklärt Ramkumar Venkataraman. Als Vice President der Asia / Pacific Scent & Care ­Division ist er unter anderem für den Rohstoffeinkauf verantwortlich. Bei einem regelmäßigen Risikocheck hat er mit seinem Team herausgefunden, dass der Anbau und damit auch die Versorgung des Unternehmens mit Patschuli gefährdet sind. „Wir haben festgestellt, dass die Pflanze in den vergangenen Jahrzehnten eine Art Wanderungsbewegung über die Inseln Indonesiens gemacht hat, von Sumatra über Java bis heute auf Sulawesi.“

Der Grund dafür ist einfach und besorgniserregend zugleich: Die meisten Landwirte arbeiten nicht auf der Grundlage guter landwirtschaftlicher Praktiken. Sie brandroden die Felder und bauen das Patschuli, das der Erde schnell wichtige Inhaltsstoffe entzieht, immer wieder an, bis der Boden ausgelaugt ist. Danach bepflanzen sie die nächste Fläche – bis es eben keine mehr gibt.

Hinzu kommen Infektionen der Pflanzen, die zu einem Ausfall der Ernte ­führen können, was die Lebensgrundlage der Bauern ernsthaft bedroht. Die Probleme bei der Landwirtschaft sorgten auch für Herausforderungen bei Symrise: „Wir hatten in den vergangenen Jahren immer wieder Qualitätsschwankungen, wenn es zum Beispiel um den Gehalt von Patchouol – also den Patschuli-Alkohol – oder den Säuregehalt des Öls geht“, sagt Dr. Norbert Braun, Vice President Innovation und Quality Control für Scent & Care in der Region Asien / Pazifik. „Gleichzeitig haben die Ölpreise stark geschwankt, was für uns und die gesamte Industrie eine beson­dere Herausforderung war“, ergänzt Ramkumar Venkataraman.

Symrise setzte sich deswegen vor drei Jahren mit Van Aroma ­zusammen, um die aktuelle Situation zu verbessern, erinnert sich Sandeep Tekriwal, CEO von Van Aroma, an die Entstehung des Projekts. Sein Unternehmen, das er im Jahr 2006 mit seinem Partner Ravi Sanganeria gegründet hat, ist der größte Lieferant des Patschuli-Öls weltweit. Die Firma hält 60 % des 1.400 bis 1.500 Tonnen großen Weltmarkts und bereitet es für Kunden wie Symrise nach deren Vorgaben auf. Das geschieht in einem aufwändigen Prozess, in dem das Öl destilliert, gefiltert und standardisiert wird.

Gemeinsam überlegten die beiden Unternehmen, wie sie die Anbaumethoden nachhaltiger gestalten könnten. Dazu sprachen Braun, Tekrival und Venkataraman über Monate mit Balittro, einem staatlichen indonesischen Forschungszentrum, und einigen Bauernführern in den entlegenen Dörfern von Sulawesi. Ziel war es, nachhaltige Anbaumethoden für Patschuli zu finden. Für Symrise und Van Aroma bedeutet das Programm ein langfristiges Engagement. ­„Damit die Bauern mitmachen, mussten wir erst ­einmal viel Vertrauen aufbauen“, sagt Sandeep Tekrival.

Zum Ende des Jahres 2016 unterschrieben die beiden Firmen schließlich den Vertrag für das Projekt. „Wir wollten beide einen Wandel, der den Anbau auf Dauer sichert, für die Bauern und für uns“, sagt Ramkumar Venkataraman. Und Sandeep Tekriwal ergänzt: „Es muss sich für alle Seiten lohnen: Für die Umwelt, die Landwirte und uns. Denn nur wenn alle profitieren, kann das Vorhaben erfolgreich sein.“

Wir haben den Anbau und die Bedingungen dafür analysiert und in vielen Bereichen Innovationen entwickelt, von denen sowohl die Bauern als auch die Umwelt in hohem Maße profitieren.

Rajnish Awasthi, Landwirtschaftsexperte

Rajnish Awasthi bietet kleine Workshops an, in denen er erklärt, wie die Bauern das natürliche Bio-Pestizid selbst herstellen können.

Den nachhaltigen Landbau vorantreiben

Eine wichtige Rolle im Projekt spielt Rajnish Awasthi. Der Landwirtschaftsexperte aus Indien kennt jede Pflanze und jede Frucht, die auf dem Weg durch das Dorf an einem der vielen Bäume oder Sträucher wächst. Was er nicht weiß, findet er heraus, indem er die Einheimischen fragt. Sein Wissen und Interesse sind ideale ­Voraussetzungen für seine Arbeit als Agronom. Awasthis Auf­gabe war klar umrissen: Er sollte herausfinden, warum der Pat­schuli-­Anbau bisher nach einigen Jahren am selben Ort nicht mehr funktioniert, und wie ihn die Bauern nachhaltig und auch kosten­effizient durchführen und dabei die bestmögliche Qualität er­zeugen können.

Gemeinsam mit seinem achtköpfigen Team hat der Fachmann dafür rund um das Dorf Toari anderthalb Jahre lang im wahrsten Sinne des Wortes Feldforschung betrieben. „Wir haben den Anbau und die Bedingungen dafür analysiert und in vielen Bereichen Innovationen entwickelt, von denen sowohl die Bauern als auch die Umwelt in hohem Maße profitieren.“ Den Anfang machten zum Beispiel Versuche mit verschiedenen Patschuli-Sorten. Ziel dabei war es, eine Art zu finden, die auch unter Bedingungen wie extremer Trockenheit zurechtkommt und gegen möglichst viele Krankheiten resistent ist. Die passenden Setzlinge, die er anschließend zu Hundertausenden kostenlos an die Bauern weitergibt, zieht er nun in sehr einfachen, aber funktionalen Gewächshäusern heran. Deren Konstruktion besteht aus ineinandergesteckten Bambusstämmen, über die einfache Netze und Planen gelegt werden. „Wir benutzen immer so viele Materialien aus der direkten Umgebung wie möglich, um den Dorfgemeinschaften in Zukunft kostengünstige Varianten für den Eigenbau zu ermöglichen“, erklärt Awasthi das Konzept.

Einer der zentralen Punkte für einen nachhaltigen Anbau ist das Pflegen der wichtigsten Ressource: dem Boden. „Patschuli saugt den Boden geradezu aus“, sagt Awasthi. Dieses Problem ging er mit einer Vielzahl von Ideen an, die er auf einem Demonstrationsfeld zeigt, das die Landwirte aufgegeben hatten. „Die Flächen ­haben sehr geringe pH-Werte, es fehlen Zink, Mangan und Boron, außerdem gibt es zu wenige Mikroorganismen, zu viele negative Bak­terien und Pilzkrankheiten. Mit anderen Worten: Der Boden war für den Anbau von Patschuli nicht mehr zu gebrauchen.“

Awasthi machte Vorschläge, die den Anbau grundlegend änderten. Er brachte den Bauern zum Beispiel bei, wie sie aus den Resten der Patschuli-Ernte und anderen Pflanzabfällen mit Bio-Dekompos­tierern Kompost herstellen können. „So bekommen wir alle drei Monate guten organischen Dünger, mit dem wir der Erde die wichtigen Nährstoffe zurückgeben können“, erklärt Awasthi. Die Bauern sollen zudem nach spätestens 15 Monaten und ungefähr vier Ernten die Patschuli-Wurzeln ausgraben und alternative Pflanzen anbauen. So kann sich der Boden erholen. Außerdem empfiehlt er, dass sie zwischen die Patschuli-Pflanzen Vetiver oder Zitronengras pflanzen. Das schnell wachsende Vetiver, das ebenfalls von der Parfümerie-Branche genutzt wird, wurzelt tief im Boden und verhindert Erosion. Für den Schutz gegen Krankheiten hat das Team zudem aus einfachen Inhaltsstoffen, die lokal verfügbar sind, ein natürliches Bio-Pestizid entwickelt. Damit die Bauern dieses nach Anleitung selbst herstellen können, bietet Rajnish Awasthi kleine Workshops an, in denen er das Vorgehen zeigt und erklärt.

Wir haben durch das Projekt große Hoffnung, dass wir auch in Zukunft Patschuli anbauen können.

Ibu Hasni

Enger Kontakt zu den Landwirten

Die ersten Erfolge sind sichtbar, rund um die Demonstrationsfelder, aber auch in Dörfern Dutzende Kilometer entfernt. Mit verantwortlich dafür ist Ibu Hasni, die ihr Wissen über das Projekt weiterträgt, viel Einfluss in der Region hat und als integraler Bestandteil der Initiative die Bauern motiviert, die nachhaltigen ­Anbaupraktiken anzunehmen. Auch in Lakito, ein Dorf in der Gemeinde Toari, kennt jeder die 32-Jährige Mutter von drei Kindern. Sie führt ein kleines Geschäft mit einer Vielzahl von Produkten und hat hinter einer Holzwand ein kleines Restaurant eingerichtet, in dem sie selbstgemachte Gerichte anbietet. Ihr Mann hat bis zu einer schweren Krankheit Bananen und Kakao angebaut und Patschuli in der eigenen Anlage destilliert. Nun wartet die Familie darauf, dass er wieder gesund wird. 

Ein wichtiger Teil des Verdienstes ist für Ibu Hasni bis dahin – und auch darüberhinaus – das Sammeln und Destillieren des Pat­schuli-­Öls. Die Bauern bringen ihr die getrockneten Pflanzen, die sie ­teilweise Dutzende Kilometer entfernt auf den Feldern an­gebaut haben und in ihrer Destille aufbereiten möchten. Für Ibu Hasni wäre es wie für viele andere Menschen in der Region sehr schwierig, auf Patschuli zu verzichten. „Es ist ein gutes Einkommen, weil die Arbeit gut bezahlt wird“, erzählt sie, während sie im Schatten einer großen Bananenstaude steht und auf das Patschuli-­Feld eines Nachbarn schaut.

Für Ibu Hasni und die Dorfbewohner ist das Gemeinschaftsprojekt von Symrise und Van Aroma daher ein Segen, wie sie sagt. Momentan nehmen rund 50 Bauern teil – rund 100.000 sollen es auf Sulawesi werden. Das klingt nach einer unerreichbaren Zahl. Die engagierte Frau aber findet die Summe gar nicht übertrieben: „In unserem Dorf gibt es 600 Farmer, von denen mir mindestens 80 % gesagt haben, dass sie ebenfalls ihre Methoden umstellen wollen.“ So soll es weitergehen. Das Engagement der beiden Firmen und der Bauernvertreter kann etwas verändern, sagt sie. „Wir haben durch das Projekt große Hoffnung, dass wir auch in Zukunft Patschuli anbauen können.“