Ganz in der Nähe des Stammsitzes in Holzminden hat Symrise eine Bienenzucht aufgebaut. Sie symbolisiert das Engagement für Biodiversität, die das Unter­nehmen weltweit, an allen Standorten, bewahren und fördern will. Das ist nicht nur gut für den Konzern, der Rohstoffe aus der reichen biologischen Vielfalt schöpfen kann. Von einer verantwortungsvollen und bewussten wirtschaftlichen Nutzung natürlicher Ressourcen profitieren auch die Naturräume und die Menschen, die in ihnen leben.

Als Werner Borgolte den Holzkasten öffnet, sind zunächst nur zwei, drei Bienen zu sehen. „Ja, ihr Kleinen seid noch müde“, sagt der 75-Jährige mit ruhiger Stimme. Er schaut sich den Bienenstock von allen Seiten an und befestigt dann einen kleinen Dispenser in der obersten Lage. Die unscheinbare Plastikflasche ist enorm wichtig für das ­Bienenvolk. „Aus ihr fließt immer so viel Ameisensäure wie nötig, um die Varroamilbe abzutöten“, sagt der Hobby­imker. „Der Schädling ist aus Asien eingeschleppt. Wenn er einen Stock befällt, saugt er den Bienen das Blut aus.“ Seine Tiere werden munterer, mittlerweile schwirren mehrere Dutzend um Borgolte herum. Er nimmt seinen Rauchboy – eine silberne Dose mit einem braunen Blasebalg –, um das Volk ein wenig zur Ruhe zu bringen. Kurze Rauch­stöße benebeln die Bienen. „Ich bin schon gestochen worden, aber das passiert deutlich seltener als man denkt.“

Es ist ein warmer Tag im Herbst, an dem Werner Borgolte in der ehemaligen Schrebergartenkolonie am Rand von Holzminden seine drei Bienenstöcke versorgt. Den Honig hat der Rentner, der einige Stunden in der Woche auf dem konzerneigenen Grundstück für Symrise arbeitet, schon längst gesammelt. Die Apfelbäume, Brombeer- und Himbeersträucher tragen seit Wochen keine Früchte mehr, die vielen wilden Kräuter- und Gräserarten lassen langsam ihre Köpfe hängen. Werner Borgolte muss nun bald mit den Wintervorbereitungen beginnen, damit das Bienenvolk im kommenden Jahr wieder in die Rapsfelder und Obstwiesen der Umgebung ausschwärmen kann.

Große Pläne
Imker Werner Borgolte (li.) pflegt für Symrise die Bienenstöcke in der ehemaligen Schrebergartenanlage. Auf dem Grundstück, das dem Unternehmen gehört, sollen in Zukunft weitere Projekte entstehen, etwa für die Forschung und Entwicklung. Susanne Ellerbrock und Carsten Schacht von der Werksverwaltung, die bei Symrise unter anderem für die Liegenschaften zuständig sind, ­haben dazu das Gelände dokumentiert und analysiert.

100
Mitarbeiter von Symrise pachteten die Gärten nach dem Zweiten Weltkrieg.

Symbol für Biodiversität

Die Bienenzucht ist verglichen mit einer neuen Produktionsanlage oder einem innovativen Produkt ein geradezu win­ziges Projekt von Symrise. Es soll aber wachsen: Die Gärten, die nach dem Zweiten Weltkrieg von rund 100 Mitarbeitern zur Selbstversorgung gepachtet wurden, werden zunächst auf ihre Pflanzenvielfalt untersucht. In Zukunft könnten hier Früchte, Gemüse oder Kräuter angebaut werden, die Symrise in der Forschung und Entwicklung oder auch zu Demonstrationszwecken nutzen kann.

Zugleich sind die summenden Bestäuber in den bunten Gärten – ähnliche Projekte gibt es an Standorten in Frank­reich und den USA – aber auch ein Symbol: Symrise en­gagiert sich immer mehr für Biodiversität. Die biologische Vielfalt in Ökosystemen ist lebensnotwendig für den Menschen – und gleichzeitig in Gefahr. „Wir haben große Herausforderungen vor uns“, sagt Hans Holger Gliewe, Chief Sustainability Officer des Unternehmens. „Gegenüber normalen evolutionären Rahmenbedingungen hat sich das Artensterben um den Faktor 1.000 vergrößert.“ Ein Grund dafür, dass es soweit kommen konnte: Die Biodiversität hat im Gegensatz zu anderen Nachhaltigkeitszielen lange ein Schattendasein geführt. „Das hängt unter anderem mit der Komplexität des Themas zusammen“, sagt Gliewe. „Es geht um die Vielfalt von Genpools, Arten, Ökosystemen und ökologischen Leistungen und Funktionen, die nicht so einfach zu verstehen ist – zumal es zwischen den einzelnen Bereichen enorme Wechselwirkungen gibt.“

In das breite Bewusstsein ist das Thema erst zum Ende der 2000er-Jahre gekommen. Eine internationale Stu­dienreihe von Bundesregierung und Vereinten Nationen zeigte zum Beispiel, dass es nicht nur um die Natur an sich geht, sondern auch um ihre wirtschaftliche Leistung. „Die Bestäubung durch Bienen weltweit etwa hat einen volkswirtschaftlichen Wert von rund 150 Mrd. € pro Jahr“, sagt Hans Holger Gliewe.

Die Bestäubung durch Bienen weltweit etwa hat einen volkswirtschaftlichen Wert von rund 150 Mrd. € pro Jahr.Hans Holger Gliewe, Chief Sustainability Officer Symrise

Rohstoffe rund um die Welt
Samen aus Brasilien, Vanille aus Madagaskar, Bananen aus Ecuador: Symrise bezieht die wichtigsten Rohstoffe von allen Kontinenten. Dazu kauft das Unternehmen die Früchte, Gemüse, Nüsse und Kräuter nicht nur einfach von den Erzeugern oder über große Zwischenhändler. Immer häufiger integriert das Unternehmen die Rohstoffe rückwärts in die eigene Wertschöpfungskette.

Eine eigene Biodiversitätsagenda

Als erste Reaktion auf den drohenden Verlust der Vielfalt hat Symrise im Jahr 2010 einen Biodiversitätscheck gemeinsam mit der internationalen Stiftung Global Nature Fund unternommen. Ziel war es, die Auswirkungen des Biodiversitätsverlusts auf das Unternehmen am Beispiel strategisch wichtiger Rohstoffe zu bewerten. „Unsere mehr als 10.000 Rohstoffe kommen aus allen Teilen der Welt – wir sind auf die ökologischen Dienstleistungen der ­Natur wie kaum eine andere Firma angewiesen“, erklärt Gliewe. Das Ergebnis des Checks war eindeutig. „Wenn wir unsere strategischen Lieferketten nicht genau analy­sieren und nachhaltiger gestalten, werden wir in ­Zukunft stark vom Rückgang der Biodiversität betroffen sein.“

Gemeinsam mit dem Global Nature Fund und der Non-­Profit-Organisation Union for Ethical BioTrade (UEBT) hat Symrise anschließend eine Biodiversitätsagenda ent­-wickelt. Sie hat große Einflüsse auch auf das strategische Handeln des Konzerns, wenn es um die Zukäufe von Unternehmen oder die Optimierung von Prozessen geht. „Der Schutz und die nachhaltige Nutzung der Biodiversität ­stehen bei der Rohstoffauswahl und -produktion ganz vorne mit an“, erklärt Hans Holger Gliewe. Gleichzeitig sollen die Menschen, die in den jeweiligen Regionen leben, gerecht am Wertschöpfungsprozess beteiligt werden. Wir wollen damit Anreize schaffen, dass Arten und Ökosysteme erhalten bleiben.“

Artenschutz beginnt beim Einkauf

Eine ebenso wichtige Rolle nimmt der Einkauf ein. Das Unternehmen integriert essentielle Rohstoffe rückwärts in die eigene Wertschöpfungskette und verbessert die Bedingungen beim Erzeuger. Beispiele dafür sind die Aktivitäten in Ecuador (siehe Seite 36), Madagaskar (siehe Seite 54) oder im brasilianischen Amazonas-Gebiet, wo Symrise mehrere Dutzend Rohmaterialien von der UEBT zertifizieren lässt und sich auch bei den Bauern mit sozialen Projekten engagiert.

Das Unternehmen hat dazu ein konzernweites Ziel definiert: Symrise will bis zum Jahr 2020 100 % der wichtigsten Rohstoffe aus nachhaltigem Anbau einkaufen. „Dazu gehören Materialien wie Zwiebel, Vanille oder Zitrusprodukte, die zusammengenommen den Hauptanteil unserer natürlichen Rohstoffbasis ausmachen“, sagt Mark Birch, Direktor für Nachhaltigkeit im Einkauf bei Symrise. Ebenso bedeutend für das Unternehmen sind aber auch kleinere Chargen von Rohstoffen, die in strategisch wichtigen Produkten eingesetzt werden oder besondere Materialien, die für bestimmte Kunden relevant sind.

Um das Nachhaltigkeitsengagement auf die bestmögliche Weise umzusetzen, ist Symrise unter anderem der Sustainable Agriculture Initiative (SAI) beigetreten. Auf der Plattform haben sich 90 der wichtigsten Lebensmittelhersteller und -zulieferer der Welt organisiert. „Gemeinsam wollen wir eine nachhaltige Landwirtschaft unterstützen. Die Bauern, mit denen wir zusammenarbeiten, sollen bestimmte Kriterien erfüllen, wenn es um die Wasser- und Landnutzung, die Düngung und den Pflanzenschutz geht“, erklärt Birch, der seit einem Jahr im Unternehmen arbeitet und zuvor 29 Jahre lang bei einem großen Lebensmittelkonzern unter anderem für den nachhaltigen Einkauf und die Entwicklung der Zulieferer zuständig war. Zudem sollen die Ernten und damit auch der Wohlstand und die Sicherheit der Landwirte und -arbeiter rund um die Welt steigen. „Zur Nachhaltigkeit gehört immer auch die gesellschaftliche Komponente.“

„Der Schutz und die nachhaltige Nutzung der Biodiversität stehen bei der Rohstoffaus­­-wahl und - produktion ganz vorne mit an.“

Hans Holger Gliewe
Chief Sustainability Officer Symrise

„Wir suchen Part­­­ner, die unsere Nach­haltig­­keits­ideen teilen.“

Mark Birch
Direktor für Nachhaltigkeit im Einkauf bei Symrise

Nachhaltiger Einkauf
Mark Birch hat ehrgeizige Ziele: Der Direktor für Nachhaltigkeit im Einkauf bei Symrise will gemeinsam mit seinen Kollegen dafür sorgen, dass das Unternehmen bis zum Jahr 2020 100 % der wichtigsten Rohstoffe aus nachhaltigem Anbau bezieht. ­Dafür bringt er große Erfahrung mit: Birch war 29 Jahre lang bei einem großen Lebensmittelkonzern unter an­derem für den nachhaltigen Einkauf zuständig.

Strenge Standards für die Landwirtschaft

Die SAI hat dazu Kriterien, die eine gute Landwirtschaft beschreiben, und das „Farm Sustainability Assessment“ entwickelt – ein einfach zu nutzendes Werkzeug, mit dem die Erfüllung der Kriterien aufgenommen und bewertet werden kann. Der Vorteil für die beteiligten Unternehmen: Die Zulieferer bis hin zu den einzelnen Erzeugern lassen sich einfach und unabhängig miteinander vergleichen. In der Datenbank werden zudem die bereits geprüften Farmer mit ihren Produkten aufgeführt. „So entsteht ein Netzwerk von nachhaltigen Erzeugern, das die Mitglieder der Plattform nutzen können.“

Ganz lokal in Deutschland hat Symrise das „Farm Sustain­ability Assessment“ zum Beispiel mit den Zwiebelbauern umgesetzt. „Wir haben uns gemeinsam die Produktion und die landwirtschaftlichen Techniken angeschaut und danach die Daten erhoben.“ Das Unternehmen kann so Rohstoffe finden und als nachhaltig qualifizieren und damit die An­forderungen der Kunden erfüllen – etwa Lebensmittelkonzernen, die Zwiebelsaftkonzentrat kaufen. Die Verantwortung dafür hat Symrise sehr bewusst im Einkaufsteam verortet. „Diejenigen, die täglich mit den Zulieferern arbeiten, haben den besten Überblick“, sagt Birch, der auch für den Teeeinkauf im Unternehmen zuständig ist.

Ob es jemals möglich sein wird, alle Rohstoffe nach den strengen Standards einzukaufen, ist Birch zufolge eine schwierige Frage. Zu den rund 10.000 Materialien gehört auch eine große Anzahl an Kleinstmengen etwa von Nüssen, Rinden oder Kräutern. Manche Rohstoffe werden zum Beispiel in Wäldern gepflückt, danach in Kooperativen ­gesammelt und über ein Händlernetz an Symrise verkauft – in kleinen Mengen pro Jahr zwischen zehn und 50 Kilogramm. „Da haben wir wenig Einfluss“, sagt Birch. „Wir versuchen aber, zumindest die Vertriebsfirmen auszusuchen, die unsere Nachhaltigkeitsideen teilen. Und damit ebnen wir auch hier einen Weg, der uns immer weiter zu einem verantwortungsbewussteren Umgang mit der Biodiversität und den natürlichen Ressourcen bringt.“

Nachhaltigkeit von Anfang an

Ein Beispiel für das Engagement des Unternehmens für Biodiversität und einen nachhaltigen Einkauf ist die Bergamotte. Die Pflanze wird im süditalienischen Ka­labrien angebaut, ihre Öle werden zum Beispiel in Parfüms genutzt oder geben Earl Grey-Tees die ganz bestimmte Zitrusnote. Symrise kooperiert bei der Rohstofferzeugung eng mit der Firma Capua 1880 – das Familienunternehmen, das seit fünf Generationen Bergamotte-Öle produziert, verarbeitet mehr als die Hälfte der gesamten Ernte in der Region, in der wiederum vier Fünftel der Weltproduktion entstehen.

Weitere Partner sind die Universität Ka­labrien, die Kooperative Unionberg und die Union for Ethical BioTrade (UEBT). Gemeinsam investieren sie in Forschung und Entwicklung, um etwa die Seitenströme der Produktion besser nutzen zu können – dabei geht es zum Beispiel um Aromen aus dem zuvor ungenutzten Saft und das Öl in den Schalen, die mit Hilfe von innovativen Technologien genutzt werden können. Außerdem arbeiten Symrise und die Partner in Kalabrien mit 500 Erzeugern in der Region daran, die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.

Ein wichtiger Bestandteil des Engagements ist der Schutz der Biodiversität. Die Be­teiligten legen Standards fest, wie bei der Beschaffung und Nutzung von Rohstoffen die lokale Vielfalt gefördert werden kann. Ein Beispiel dafür: Der Anbau der Bergamotte erfolgt relativ nah an den Küsten von Mittel- und Ionischem Meer. Die Partner wollen herausfinden, welche Einflüsse die Produktion auf das Leben im Wasser hat. So können sie die Flora und Fauna an Land und im Meer schützen.