Der Erwerb der amerikanischen Firma Renessenz als Teil von Pinova Holdings stellt die Rohstoffbasis von Symrise im Geschäftsbereich Aroma Molecules auf neue Beine. In Jacksonville, Florida, und Colonels Island, Georgia, produziert das Unternehmen terpene-basierte Duft- und Aromastoffe aus natürlichen nachwachsenden Rohstoffen, die in 30 % der internen Kreationen Verwendung finden.

Greg Clements greift einen der hellgrünen Pinienzweige. Er bricht eine der Nadeln des zwei Jahre alten Baums ab, dessen Spitze ihm schon bis zum Kopf reicht und riecht den frischen Duft. Dann dreht er sich um. So weit das Auge reicht, wachsen die kleinen Nadelbäume auf dem sandigen Boden, in Reih und Glied gepflanzt. 100 Meter weiter in die andere Richtung beginnt ein Pinienwald, der ebenfalls in akkurater Ordnung angelegt ist – diese Bäume, die vor mehr als 20 Jahren gepflanzt wurden, sind erntereif. Der Technologiemanager für strategische Rohstoffe schaut sich hier, im äußersten Norden Floridas, den Ursprung von vielen Symrise Produkten an. Das Pinienholz, das reich an Terpenen ist, ist ein Startbaustein für die Duft- und ­Aromastoffe, die das Unternehmen produziert. Dafür wird zunächst das Holz in einem Papierwerk mit Hilfe des so­genannten Kraft-Prozesses zu Zellstoff verarbeitet. Dabei entsteht das Beiprodukt Rohsulfat-Terpentinöl – im Eng­lischen heißt es Crude Sulfate Turpentine (CST). Daraus wird später in der Symrise Fabrik der Schwefel entfernt, der als Teil eines Lösungsmittels während der Zellstoffherstellung hinzugekommen war. Anschließend wird das Material in ­Alpha- und Beta-Pinene aufgespalten. Sie bilden schließlich die Grundlage für terpen-basierte Duft- und Aromen-­Inhaltsstoffe. Die Technologie für diese Umwandlung wurde von der US-amerikanischen Firma Renessenz entwickelt, die auf mehr als 100 Jahre Innovation und Produktion zurückblickt und Anfang 2016 als Teil von Pinova Holdings durch Symrise übernommen wurde. Um sich ein Bild des gesamten Prozesses zu machen, sagt Clements, sollte man auf der Plantage starten. „Uns ist es wichtig, dass wir einen sehr nachhaltigen Rohstoff verwenden können, um ebenso nachhaltige Produkte erzeugen zu können.“ Die Forstfirma zum Beispiel, auf deren Grund er gerade steht, produziert das Holz in einem nachhaltigen Kreislauf, zertifiziert nach den Standards der Sustainable Forestry Initiative (SFI) – andere Zulieferer nutzen die Siegel des Forest Stewardship Councils (FSC).

Uns ist es wichtig, dass wir einen sehr nachhaltigen Rohstoff verwenden können, um ebenso nachhal­tige Produkte erzeugen zu können.

Greg Clements
Ingenieur

Ein Teil der Bäume kommt in die Zellstofffabriken. Mit rund 40 arbeitet Greg Clements eng zusammen. Er war lange Jahre selbst in der Branche beschäftigt, kennt dort sämtliche Schritte der Verarbeitung. In seinem heutigen Job beschäftigt er sich vor allem damit, die CST-Extraktion zu verbessern. Die schwefelig riechende, zähe und dazu leicht brennbare Flüssigkeit wurde früher als Abfall verbrannt. Heute verwendet sie Symrise weiter.

„Die Papierfabriken kennen ihr Geschäft sehr gut“, sagt Clements. „Gemeinsam können wir aber die Prozesse optimieren, um eine möglichst hohe Ausbeute an CST zu er­zielen.“ Am Ende landet das Produkt in Tanks, die Symrise mit Lkw oder Eisenbahnwaggons ins Werk nach Jackson­ville transportiert. „Unsere Logistik ist ein unschlagbarer Vorteil auch für die Papierfabriken“, sagt Greg Clements. „Die Lagermöglichkeiten für das CST sind in den Papier­fabriken sehr begrenzt. Wir helfen den Werken, die Lie­ferkette ihrer Nebenströme verlässlich zu managen und ­sichern so gleichzeitig unsere Rohstoffbasis.“

Mit viel Erfahrung für die besten Duft-Moleküle

Im rund 50 Hektar großen Symrise Werk angekommen, ­beginnt ein vielschrittiger chemischer Prozess. Zunächst werden mittels einer im Unternehmen entwickelten Strip-­Destillation aus dem CST der Schwefel und andere Stoffe entfernt, die anschließend als Energieträger verwendet werden. Sie liefern rund 50 % des Brennstoffs, den Symrise etwa für die Dampferzeugung benötigt. Für die Fabrik
verantwortlich ist Richard Hastings mit seinem Team. Der erfahrene Werksleiter – er arbeitet seit 37 Jahren in der ­Fabrik in Jacksonville– kennt seine Destillations- und Ex­traktionsanlagen in- und auswendig. Er bleibt vor einem fünfsäuligen Reaktor stehen, der rund um die Uhr betrieben wird, erklärt mit ausladenden Armbewegungen, wie das gereinigte CST hier in einem kontinuierlichen Prozess in seine Hauptbestandteile, die Terpene Alpha Pinen und Beta Pinen, getrennt wird. Symrise nutzt vor allem das in größerer Menge anfallende Alpha Pinen, um durch weitere Verfahrensschritte wie Hydrierung oder Pyrolyse ­duftende Moleküle zu erzeugen: Dihydromyrcenol zum Beispiel, ­Linalool – als einziger Hersteller überhaupt aus erneuerbaren Quellen –, Citronellol oder Geraniol.

Prozess-Expertise
Richard Hastings hat die chemischen Prozesse im rund 50 Hektar großen Symrise Werk in Jacksonville im Griff. Der Werksleiter sorgt dafür, dass die Destillations- und Extraktionsanlagen Tag und Nacht laufen, um zum Beispiel das gereinigte Crude Sulfate Turpentine in die Hauptbestandteile Alpha Pinen und Beta Pinen zu trennen.

Es ist wirklich be­­wundernswert, welche Verfahren hier über die Jahrzehnte ent­wickelt wurden.Peter Esser, Vice President der globalen chemischen Produktion

Aus Papierproduktionsresten wohlriechende Stoffe zu machen, klingt wie ein kleines Wunder. Für Gene Kolomeyer, Leiter der Forschung und Entwicklung in Jacksonville, ist es einfache Verfahrenstechnik. Der erfahrene Chemiker, der seit 20 Jahren bei Symrise arbeitet, sagt das mit einem breiten Lächeln. Er weiß genau, dass es Jahrzehnte gedauert hat, bis seine Vorgänger und er die Prozesse so auf den Punkt bringen konnten. Seine anschauliche Erklärung: „Der Grundstoff bleibt mit seinen zehn Kohlenatomen derselbe, wir bauen ihn nur um und setzen ihn neu zusammen. Das ist an sich kein Hexenwerk – die Expertise liegt im Detail, wenn wir unterschiedliche Temperaturen, Drücke, Mengen, Prozessgeschwindigkeiten oder Durchlaufzeiten einsetzen, um das beste Ergebnis zu erhalten.“

Mehr Effizienz und Nachhaltigkeit

An der Prozessoptimierung arbeitet auch Peter Esser, der seit der Akquisition Anfang 2016 in Jacksonville lebt. Der Vice President der globalen chemischen Produktion der Symrise Werke in den USA, Mexiko und in Holzminden fand großes Know-how und über Jahre gewachsene Prozesse vor, als er zum ersten Mal im immer warmen Florida die Fertigung besichtigte. „Es ist wirklich bewundernswert, welche Verfahren hier über die Jahrzehnte ­entwickelt wurden. Wir bringen nun unser Wissen zusammen, um noch nachhaltiger und effizienter produzieren
zu können“, sagt Esser.

Symrise investiert zum Beispiel in die Automatisierung der Anlagen. „Auf diese Weise können im Sekundentakt sämt­liche Parameter in dem Prozess überprüft und gegebenenfalls verändert werden“, führt Esser aus. Die Prozesse werden zudem systematisch analysiert. „Wir schauen uns zum Beispiel Katalysatoren, einzelne Prozessschritte und Technologien an, um die Produkte mit besserer Effizienz und noch nachhaltiger erzeugen zu können. Das beginnt mit der Aufspaltung des CST und geht mit der Optimierung der Prozesse weiter, mit denen wir die jeweiligen Produkte ­erzeugen. Die ersten Ergebnisse dieses systematischen Ansatzes sind schon heute zu sehen – andere sind eher auf die langfristige Strategie ausgerichtet.“

Know-how in der Forschung
Gene Kolomeyer und sein Team arbeiten in den Laboren von Symrise stetig an neuen Produkten und Prozessen. Der Leiter der Forschung und Entwicklung kann dabei auf das große Know-how des Unternehmens zurückgreifen.

Neben dem CST als Rohstoff arbeitet das Team übrigens an ähnlichen Prozessen mit anderen Ausgangsstoffen. Symrise nutzt zum Beispiel den Naturstoff D-Limonen aus dem Öl, das in der Orangensaftproduktion aus den Schalen gewonnen wird. „Auch hier verwerten wir einen Stoff, der als Seitenstrom entsteht und früher als Abfall weggeworfen wurde“, erklärt Peter Esser. Symrise gewinnt L-Carvon aus dem D-Limonen mit einer patentierten grünen Technologie, die deutlich umweltfreundlicher als der traditionelle Prozess ist. Das Produkt wird in Mundpflege-Anwendungen zusammen mit Anethol verwendet, einem sensorischen Kühlmittel, das ebenso in Jacksonville entsteht.

Symrise Produkte rund um die Welt im Einsatz

„Die Produkte ergänzen die Menthol-Derivate, die in Bushy Park, South Carolina, und in Holzminden, Deutschland, produziert werden, und Symrise zum größten Industriezulieferer für Mundpflege-Inhaltsstoffe machen“, beschreibt Michael Klamm die Bedeutung des Portfolios. „Und bei der Produktion von Duft-Molekülen aus CST gehören wir ebenfalls zu den Großen der Branche.“ Klamm ist für den globalen Business Support im Geschäftsbereich Aroma Molecules verantwortlich und leitet die Werke in Jacksonville und Colonels Island. Er kennt den Markt genau. „Wir beliefern alle großen Duft- und Aromenhersteller und Konsumgüterhersteller. Dabei sind unsere Inhaltsstoffe oft die entscheidenden Bestandteile in den Duft- und Aromenkompositionen unserer Kunden“, sagt Klamm. Genau weiß er zwar nicht,
in wie vielen Haushalten die Moleküle für guten Geruch sorgen. „Aber man findet unsere Inhaltsstoffe in vielen Parfüms, Wäsche- und Haushaltspflegeprodukten, Kosmetika und Mundpflegeprodukten der bekanntesten Marken. Sie spielen eine große Rolle im täglichen Leben der Konsumenten.“ Ein beachtlicher Teil der Produkte geht zudem an die anderen Werke von Symrise, wo die Moleküle in Duft- und Aromenmischungen verarbeitet werden. „Der Kauf von ­Renessenz passt sehr gut in das Portfolio von Symrise“, sagt Klamm. „Unser Produktportfolio bildet eine große Vielfalt von Inhaltsstoffen ab, die Symrise Parfümeure und Flavoristen benutzen. Die Nachhaltigkeit in der Produktion spielt auch für die Kunden eine große Rolle. Produkte aus natür­lichen erneuerbaren Rohstoffen, die aus Seitenströmen ­anderer Industrien stammen, bilden seit 100 Jahren den Startpunkt für unsere Produktion“, sagt Michael Klamm. „Wir nutzen die natürlichen Ressourcen und grüne Chemie. Das wird immer wichtiger für unsere Kunden, die mit steigender Tendenz nachhaltige Produkte fordern.“

Wir nutzen die natürlichen Ressourcen und grüne Chemie.

Michael Klamm Senior Vice President und General Manager

Große Produktvielfalt
Im Symrise Werk in Jacksonville werden neben Crude Sulfate Tupentine, dem Beiprodukt aus der Papier­industrie, auch andere Rohstoffe verwendet. Aus dem Naturstoff D-Limonen, der aus dem Öl von Orangenschalen stammt, wird zum Beispiel L-Carvon gewonnen, das in Mundpflege-Anwendungen zum Einsatz kommt.

Für die Umwelt und die Sicherheit

Die Vorgängerfirma von Renessenz und Symrise wurde im Jahr 1910 in ­Jacksonville gegründet. Sie produzierte Baumharze, die ursprünglich in der Schiffsindustrie genutzt wurden, etwa um Holzrümpfe von Booten ­abzudichten. Daraus entwickelten sich weitere Produkte, die in den 1950er- und 1960er-Jahren in die ersten Stoffe für die Aromen- und Duftindustrie mündeten. Die Nutzung des Rohstoffs CST aus der Papierindustrie war ­damals eine Herausforderung, weil sogar Spuren des unangenehmen schwefeligen Geruchs die Umwelt und die Nachbarschaft belasten konnten.

Eigenverantwortung ist Teil unserer Unternehmenskultur und enorm wichtig, um unsere Ziele zu erreichen.

Brian Zielinski
Umweltmanager

„Andauernde Prozess- und Transportverbesserungen sind nötig, um die Emissionen zu verhindern und damit auch die negativen Effekte für die ­Umgebung“, sagt Corporate Compliance-Direktorin Brenda Murray. „Über die Jahre haben wir moderne Filtersysteme und Tanks eingebaut und die internen Transportwege optimiert. Außerdem erkennen wir potenzielle Lecks, damit wir den Geruchs­austritt von vorneherein verhindern können.“ Eine ganze Reihe von Zerti­fikaten belegt das – und vor allem sind die Mitarbeiter darauf geeicht, auf alle möglichen Unregelmäßigkeiten in der Produktion zu achten. „Diese Eigenverantwortung ist Teil unserer Unternehmenskultur und enorm wichtig, um unsere Ziele zu erreichen“, sagt auch ihr Kollege Brian Zielinski, der als Umweltmanager am Standort Jacksonville arbeitet.

Ebenso wichtig ist die Vorbeugung von Unfällen im Werk. Ein breit angelegtes Programm hat die Aufmerksamkeit für das Thema vergrößert, berichtet Bert Long, der für Gesundheits- und Sicherheitsfragen zuständig ist. „Wir dokumentieren sogar kleine unsichere Situationen und potenzielle Gefahren.“ Das führte zu einer Sicherheitskultur, in der jeder auf den anderen achtet. Wie Umweltbewusstsein und Geschäfts­er­folg zusammengehen, zeigt ebenfalls Brian Zielinski. Seit dem Jahr 2015 spart Symrise im Werk Jacksonville ­jeden Tag mehr als die Hälfte des Abwassers – rund eine Million Liter. Gelungen ist das durch eines der Nachhaltigkeitsprojekte, bei dem das komplette System auf den Prüfstand gestellt wurde. „Wir haben zum Beispiel eine ganze Reihe von Pumpen, die nicht bei jedem Vorgang benötigt ­wurden, abgestellt – vorher sind sie kontinuierlich mitgelaufen und haben so Wasser verbraucht, das wir nun sparen.“

1 Millionen Liter

Abwasser spart Symrise im Werk Jacksonville täglich.