Pflanzliche Alternativen zu Fleisch- und Milchprodukten werden in Zukunft noch schmackhafter, besser und günstiger. Ihr Anteil an den weltweiten Lebensmittel­ver­käufen wird weiter rasant steigen. Symrise hat für den Wachstumsmarkt eine eigene Plattform gegründet, auf der sich die Fachleute über alle Geschäftsbereiche hinweg innerhalb des Unternehmens und mit Experten und Innovatoren von außen verknüpfen.

KLIMA, INNOVATION UND ENTWICKLUNG

Es ist Mittag. Florian Herkner gönnt sich eine kurze Pause bei seinem Besuch auf der Food Ingredients Europe in Frankfurt, der internationalen Messe für Lebensmittelzusatzstoffe. Der Plattform-Manager von Symrise läuft ein paar Schritte, bis er vor einem kleinen Café steht. Drinnen setzt er sich auf einen Fensterplatz, atmet durch und bestellt sich eine Rhabarberschorle. Dann beginnt er über sein aktuelles Hauptthema zu sprechen: alternative Proteine.

„Bis 2035 hat weltweit jede zehnte Portion Fleisch, Eier und Milchprodukte eine alternative Quelle.“

Florian Herkner
Head of Global Growth Platform Plant Based

Der gelernte Koch erläutert zunächst deren Definition, denn oft werden die vielen verschiedenen Begriffe durcheinandergeworfen: „Es gibt Produkte aus pflanz­lichen Rohstoffen, die den Geschmack und die Tex­tur von Fleisch nachbilden, also Lebensmittel, die ein­fach als Ersatz für Fleischprodukte dienen können, und es gibt Alternativen für Milchprodukte.“ Ein Schnitzel auf Soja- oder Kichererbsenbasis ist etwas anderes als Falafel, die in der arabischen Ursprungsküche seit jeher fleischlos hergestellt werden. Gemeinsam haben alle Varianten, dass sie sich in einigen Jahren „aus der Nische in den absoluten Mainstream bewegen werden“, sagt Florian Herkner, der Internationale Betriebswirtschaftslehre studierte und zunächst in einem Rohstoffgroßhandel für die Lebensmittelindustrie arbeitete. „Wir sehen die Entwicklung in den Supermärkten und heimischen Küchen, in den Restaurants und auch in den Fast-Food-Ketten.“

Seine Erfahrung belegt der Österreicher, der seit sechs Jahren bei Symrise arbeitet und zunächst im Vertrieb für Getränkelösungen in Osteuropa tätig war, auch mit Zahlen: „Egal in welche Studie wir schauen, wir sehen ein extremes Wachstum. Bis 2035 hat weltweit jede zehnte Portion Fleisch, Eier und Milchprodukte eine alternative Quelle.“ Der Umsatz mit alternativen Proteinen soll zu diesem Zeitpunkt bei 290 Mrd. USD liegen. In kein anderes Segment im Lebensmittelbereich wird aktuell stärker inves­tiert.

Verzehr von alternativen Proteinen weltweit
in Millionen metrischen Tonnen

Das Wachstum der Alternativprodukte weltweit
Wenn alternative Proteine in Geschmack, Beschaffenheit und Preis mit tierischen Proteinen gleichziehen,
können sie tierisches Eiweiß in zehn Lieblingsgerichten der Welt zu 90 % ersetzen.

Klimaschutz und Tierwohl als Antriebsfaktoren

Diese Fakten lässt Florian Herkner sacken und bestellt in dem Café erst einmal etwas: Hausgemachte Falafel, mit roter Beete verfeinerter Hummus und gegrillte Aubergine. Während er es sich schmecken lässt, erzählt er von seiner persönlichen Einstellung zum Essen. „Ich esse Fleisch, aber nur gutes“, sagt der Plattform-Manager, dessen Familie zuhause auf einer wilden Kräuterwiese Schafe hält, so eine eigene Fleischquelle hat und daraus hausgemachte Wurst herstellt. „Gleichzeitig finde ich die pflanzlichen Alternativen superspannend, wenn sie schmecken. Diese Aubergine hier zum Beispiel reicht mir vollkommen, da brauche ich kein Schnitzel.“

Dieses Denken ist momentan ziemlich weit verbreitet. „Die Sorge um das Klima und das Tierwohl sind wichtige Antriebsfaktoren für die Entwicklung der alternativen pflanzlichen Proteine“, sagt Herkner. Ein weiterer Treiber ist auch der technische Wandel: „Die Technologien zur Entwicklung vergleichbarer pflanzlicher Produkte verbessern sich zusehends. Sie machen die Fleisch-Alternativen für die breite Verbraucherschicht attraktiver, weil sie den Geschmack, den Geruch und die Konsistenz von Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten, Milchprodukten und Eiern nachahmen können.“ Schließlich sinken dann die Kosten soweit, dass sie mit den Preisen von echtem Fleisch vergleichbar sind.

Im Jahr 2019 wurden auf dem Plant Based Meat Market weltweit rund 12 Mrd. € umgesetzt. Der Markt wird bis zum Jahr 2025 um rund 15 % jährlich wachsen, auf etwa 28 Mrd. €. In den fünf Jahren danach soll es um mindestens 25 % pro Jahr nach oben gehen: 2030 soll der Umsatz bei 85 Mrd. € liegen, andere Studien sehen ihn sogar bei bis zu 250 Mrd. €.

Für Symrise arbeitet Florian Herkner deshalb an der Qualität der pflanzlichen Alternativprodukte. Das Ziel ist, innovative Zutaten für morgen zu einem guten Preis aus natürlichen Rohstoffen herzustellen. Ein wichtiger Weg dahin ist für ihn der bereichsübergrei­fende Austausch. Nachdem er im Juni 2020 als Leiter der Business Incubation Group für die Plattform „Plant based Solutions“ bei Symrise angefangen hatte, rief er ein regelmäßiges Treffen mit 50 Kolleginnen und Kollegen aus vier Weltregionen ins Leben. Ein­mal im Monat sprechen die Fachleute über die Bereiche Handel, Vertrieb, Technik und die einzelnen Lebensmittelkategorien. Am Tag darauf treffen sich die Technologie-Experten und halten sich über die Forschung, die Neuentwicklungen und die nötige Anwendungstechnik auf dem Laufenden. „Das spart Zeit, führt zu weniger Doppelarbeit und verhindert Silodenken.“

80 % der Verbraucher kaufen immer wieder

Für Symrise bestehen Fleisch- und Milchersatzpro­dukte im Arbeitsalltag aus vier Ebenen. Die Fachleute wollen erstens die vom Eiweiß stammenden Noten maskieren, zweitens die Textur und das Mundgefühl steuern, drittens eine fleischige oder milchige Note erzeugen und viertens eine Kopfnote wie Vanille oder Grillaromen hinzufügen. Die Herausforderungen sind auf allen Ebenen groß: Bei Basisrohstoffen wie Erbse, Soja oder Mycoprotein, gewonnen aus der Fermentierung eines fadenförmigen Pilzes, müssen die Geschmacksnoten so entwickelt werden, dass die oft geschmeckte Bitterkeit maskiert wird. Gleichzeitig soll ein auf diesen Grundlagen entstehendes Burger-Patty saftig sein und Grillaromen haben. Die Entwickler haben außerdem die Aufgabe, die Lebensmittelsicherheit zu beachten und Zucker und Salz in den Produkten zu minimieren. Und zu guter Letzt muss es den Verbrauchern schmecken: „80 % der Verbraucher entscheiden sich, wenn sie das Produkt mögen, für einen wiederholten Konsum.“

Für alle Anforderungen an pflanzliche Ersatzpro­dukte hält Symrise Lösungen bereit und Florian Herkner ist eine der Schnittstellen. Wenn es noch kein Wissen zu neuen Themen gibt, sucht er nach neuen Partnern. Seine Mittagspause ist nun vorbei, er bezahlt und macht sich auf den Weg zurück zur Messe. Dort wird er Gespräche über Proteinlieferan­ten wie Mikroalgen und Ackerbohnen führen. „Ich will möglichst viele Entwicklungen kennenlernen, um sie von einem wirtschaftlichen und technischen Standpunkt aus bewerten zu können“, freut sich Florian Herkner und fügt an: „In dieser dynamischen Zeit reicht es nicht, wenn wir das entwickeln, was sich der Kunde gestern gewünscht hat. Wir müssen Antworten haben auf das, was er morgen fragt.“

„80 % der Verbraucher entscheiden sich, wenn sie das Produkt mögen, für einen wiederholten Konsum.“

Florian Herkner
Head of Global Growth Platform Plant Based

Kooperationen für mehr Effizienz

Drei Fragen an Catherine Trillo-Blanco, Global Growth Platform Manager für Pflanzenbasierte Lösungen im Symrise Segment Taste, Nutrition & Health.

Frau Trillo-Blanco, warum sind Kooperationen für das Wachstumsthema „Alternative Proteine“ so wichtig?

Die Märkte und die Entwicklungen sind so dynamisch, dass wir uns aktiv um neue Partner bemühen, um sichere, strategische Geschäftsbeziehungen einzugehen und neue Technologien und Rohstoffe einzuführen und zu teilen. Wir arbeiten bei Symrise mit Start-ups, großen Unternehmen, Universitäten, Regierungen, Risikokapitalgebern und Unternehmern zusammen, um zukünftige Wachstumspotenziale zu identifizieren, lange bevor sie auf den Markt kommen. Wir bilden dabei Ökosysteme, weil Kollaborationen der Schlüssel in solch einem dynamischen Bereich sind.

Mit welchen Partnern arbeiten Sie bisher zusammen?

Wir haben zum Beispiel eine Kooperation mit dem Forschungsakzelerator New Food Innovation, der Wissenschaftlern, Start-ups und etablierten Lebensmittelherstellern dabei hilft, ihre Innovationen auf den Markt zu bringen. Wir arbeiten auch mit dem Lebensmitteltechnologie-Inkubator Fresh Start aus Israel oder Food Ventures in Singapur zusammen. In Deutschland kooperieren wir mit KitchenTown Berlin, einer Innovationsplattform für Food Start-ups, mit deren Hilfe Ideen und Produkte schnell zur Marktreife gebracht werden können. Das Beste daran ist, dass wir jeden Tag etwas Neues lernen.

Seit Oktober 2021 kooperieren Sie mit der Universität Wageningen. Was passiert in diesem aktuellen Projekt?

Gemeinsam erforschen Symrise und die Wissenschaftler der Universität Hülsenfrüchte und die sensorische Qualität von Fleischalternativen für den optimalen Geschmack und die beste Funktionalität. Derzeit arbeiten wir in zwei Konsortien mit Part­nern entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammen – von den Pflanzenzüchtern über die Verarbeiter bis hin zu den Lebensmittelherstellern. Ziel ist es, schmackhafte, nachhaltige und optimale Proteinquellen für den menschlichen Verzehr zu entwickeln, die Verbraucher ansprechen.

Textur und Mundgefühl ohne tierische Proteine

Drei Fragen an Pierre Osche, Forschungsleiter im Bereich Gemüse im Symrise Segment Taste, Nutrition & Health.

Herr Osche, mit Symrise Nutrition arbeiten Sie in der globalen Plattform Plant Based Solutions mit. Was bringen Sie in die Projekte ein?

Bei Symrise haben wir ein großes Portfolio von Gemüse- und Fruchtsaftkonzentraten, -pulvern und -flocken, die die natürlichen Aromen ergänzen. Die Funktionalitäten sind nicht dieselben: Zum Beispiel sollen Geschmacksstoffe oft keine Textur oder Farbe geben oder für ein bestimmtes Mundgefühl sorgen. Bei den Fleischalternativen ist aber genau das gewünscht. Und die Kombination aus natürlichen Zutaten und Geschmacksstoffen kann dies liefern.

Wie können Sie zum Beispiel ein herzhaftes Mundgefühl beeinflussen?   

Ein herzhaftes Mundgefühl ist komplex und erfor­dert mehrere Zutatenebenen. Als Basis schmeckt unser Pilzsaftkonzentrat umami, also herzhaft, würzig und fleischig. Die kulinarische Komplexität erreichen wir mit verschiedenen Zwiebel-, Knoblauch- oder Schalottenprodukten. Wenn wir etwas noch Einzigartigeres suchen, können wir auch Soffritto- oder Mirepoix-Lösungen bieten, die aus verschiedenen zusammen zubereiteten Gemüsen bestehen und sehr bei der Saftigkeit helfen. Außerdem können unsere Produkte die Fehlgeschmäcker von pflanzlichen Proteinen balancieren.

Wie sehen die Entwicklungen der pflanzlichen Alternativen aus, die sowieso schon in den Küchen der Welt genossen werden?

Der Markt ist riesig und wir haben eine ganze Reihe von Lösungen dafür. Ich denke da nur an Paneer, den indischen Frischkäse, der mit Spinat, Cashewnüssen und Gewürzen zubereitet wird, an Kürbiswaffeln, Quinoa-Bowls oder eben auch Tofu-Gerichte oder Falafel. Für alle diese Gerichte können wir die natürlichen Zutaten liefern, indem wir auf unsere breite Palette von mehr als 50 Sorten Gemüse zurückgreifen.