Symrise hat das britische Unternehmen Cobell gekauft, weil es perfekt in die Unternehmensstrategie passt: Der Obst- und Gemüsesaftlieferant hat einen hervorragenden Zugang und tiefes Wissen zu natürlichen Rohstoffen. Zugleich stärkt es die Position des Konzerns auf dem Markt in Großbritannien, wo Cobell die Nummer 1 der Branche ist – bei den Ver­käufen, aber auch bei ungewöhnlichen Konzepten und inno­vativen Ideen. Eine Verbindung, die eine ganze Menge Entrepreneur­ship, engagierte Mitarbeiter, Kreativität und technolo­gisches Know-how zusammenbringt.

Nick Sprague ist Unternehmer, mit ganzem Herzen. Das zeigt auch seine bisherige Karriere: Er beendet die Schule mit 16 Jahren, geht zur Armee, lernt viel über Teamwork und Selbstdisziplin, wie er sagt. Nach sechs Jahren verlässt er das Militär, startet seinen ersten Betrieb, druckt Kataloge für Supermärkte und liefert auf Bestellung aus. Anschließend eröffnet er einen Schuhputzstand in der Londoner U-Bahn, den er nach kurzer Zeit mit Angestellten auf mehrere Stationen ausweitet. Schließlich landet er wieder in der Lebensmittelbranche, arbeitet als Vertriebsmann für Tiefkühlgemüse und bei einer weiteren Firma für Früchte. Er reist durch die Welt, besucht Bauern und Produktionsfirmenin Südamerika, im Mittleren Osten, in Osteuropa und Skandinavien. Bis er im Jahr 1999, auf Grundlage seines Wissens um die Rohstoffe und den Markt, gemeinsam mit seiner Frau Ali das Unternehmen Cobell gründet – der Name ist übrigens aus den Namen seiner beiden Kinder Jacob und Gabriella zusammengesetzt.

„Das klingt alles ganz schön durcheinander, aber jeder Schritt hat mir geholfen, das Geschäft in allen Facetten zu verstehen“, sagt Nick Sprague, während er im Besprechungsraum von Cobell im südwestenglischen Exeter vor einer Ingwer-Limonade sitzt. Er schaut sich die Flasche an und überlegt kurz. „Der Erfolg gibt uns wohl Recht“, sagt er mit einem offenen Lachen. Der 50-Jäh­rige hat viel dazu beigetragen. In nur 18 Jahren hat er die Firma ohne Pause und Rückschritte ausgebaut, den Jahresumsatz von 1,75 Mio. GBP im ersten Jahr auf rund 60 Mio. GBP heute gesteigert und fast 60 Menschen angestellt – gemeinsam mit seinen Kollegen und Freunden David Pearce, Graham Holland und Ian Taylor, die im Laufe der Jahre als gleichberechtigte Partner eingestiegen waren. Und die in der Anfangszeit auch gerne selbst einmal die Mischtanks für die Getränke gereinigt haben.

Wir lieferten immer just in time, exakt das, was der Kunde für seine Projekte benötigte, in allen erdenklichen Mischungen.

Nick Sprague
Gründer Cobell

„Wir kommen von einem Marktanteil von unter 1 % und sind nun mit einem Schlag Marktführer bei den Säften und Pürees.“

Nick Russell
UK-Chef Symrise

Dieses Engagement ist ein Baustein des Firmenerfolgs, der auf mehreren Säulen beruht: Auf den Innovationen, der genauen Kenntnis der Rohstoffe und dem guten Zugang zu den Märkten in Großbritannien. Schon am Anfang der Firmengeschichte stand eine clevere Idee, die den Service in der Branche auf ein neues Niveau hob. Sprague hatte bei seinem alten Arbeitgeber, der ­Säfte aus aller Welt importierte, beobachtet, dass immer ­wieder teure Produkte entsorgt werden mussten. Der Grund: „Manche Kunden benötigten für ihre Rezepturen zum Beispiel genau 177 Liter Zitronensaft. Dieser kam aber nur in Gebinden zu 200 Liter – und den überzähligen Saft wollte der Kunde nicht haben und auch nicht bezahlen.“

Unternehmertum und Experimentierfreude

Sprague hatte die Idee, mit Cobell genau die Mengen Säfte und Pürees zu liefern und zu berechnen, die gebraucht wurden. Die Reste verkaufte er in kleineren Gefäßen weiter. „Wir lieferten immer just in time, exakt das, was der Kunde für seine Projekte be­nötigte, in allen erdenklichen Mischungen.“ Cobell produzierte darüber hinaus auf den Kunden zugeschnittene Behälter oder ­Tüten. „Wir versuchten immer, sehr flexibel und vielseitig die perfekten Bedingungen herzustellen.“ Dazu gehörte auch, an Wochenenden zu liefern oder Spezialitäten zu führen, die sonst keiner anbot. „So konnten wir eine Nische besetzen“, erinnert sich Sprague.

Ein weiterer Pluspunkt des stark wachsenden Unternehmens: „Wir haben unsere Kunden immer wieder herausgefordert, neue Kompositionen und Rezepturen auszuprobieren. Das hat uns sehr eng mit ihnen zusammengebracht.“ Und damit ein Argument geliefert, warum Symrise Cobell erworben hat. „Wir passen einfach gut zusammen, weil uns dieselbe Art von Unternehmertum und Ex­perimentierfreude auszeichnet“, erklärt Nick Sprague.

Ihm gegenüber sitzt Nick Russell. „Das stimmt und war auch ein großes Plus für uns, mit Cobell zusammenzuarbeiten“, sagt der Chef von Symrise in Großbritannien, für den die Akquisition aus vielen Gründen Sinn ergibt. Das Umsatzpotenzial für die Getränkezutaten, die Cobell und Symrise gemeinsam liefern können – ­unter anderem Gemüse- und Fruchtsäfte, Konzentrate, Extrakte, Aromen, Farben und Taste-Balance-Lösungen – ist enorm. Für Symrise ist dort viel Luft nach oben, sagt Nick Russell. „Wir kommen von einem Marktanteil von unter 1 % und sind nun mit einem Schlag Marktführer bei den Säften und Pürees.“ Die nackten Zahlen sind aber nicht alles für den Manager, der seit 30 Jahren in der Branche arbeitet. „Die Konsumenten erwarten immer mehr na­türliche Zutaten, zum Beispiel in ihren Softdrinks. Mit Cobell haben wir den Zugang zu einer ganzen Reihe von nachhaltig arbeitenden Zulieferern in aller Welt, deren Produkte wir transparent und nachvollziehbar einkaufen können.“ Für das andere Ende der Wertschöpfungskette gilt dasselbe: „Cobell hat sehr gute Kundenbeziehungen in Großbritannien, die wir nun gemeinsam nutzen können“, sagt Russell.

Wir wollen mit Hilfe von Cobell mehr werthaltigere Produkte wie natürliche Aromen, Farbstoffe und Extrakte in Großbritannien verkaufen und damit auch unsere Marktposition stärken.Dirk Bennwitz, Leiter Aromen für die Region EAME

Für Dirk Bennwitz stimmt das Gesamtpaket ebenfalls. Der Leiter Aromen in der Region Europe Africa Middle East, zu der auch Großbritannien gehört, verweist auf die Synergieeffekte, die aus der Akquisition entstanden sind. „Beim Einkauf zum Beispiel haben wir innerhalb von drei Monaten schon einen signifikanten Betrag einsparen können, weil wir gegenseitig von den Kontakten des anderen profitieren. Indem wir die beiden Firmen zusammenführen, formen wir zudem aus allen Kollegen ein neues Team, das zusammen noch schlagkräftiger ist als zuvor.“

Einer der Hauptnutzen für ihn ist aber die Innovationskraft beider Firmen, die zusammen noch stärker geworden ist. „Das tiefe Produktions- und Kompositions-Know-how sowie das Wissen um Rohstoffe, das beide Unternehmen besitzen, führt zu noch besseren Produkten, die wir den Kunden vorstellen können“, sagt Bennwitz. Ein höherer Umsatz ist dabei nicht die einzige Priorität: „Wir wollen mit Hilfe von Cobell mehr werthaltigere Produkte wie natürliche Aromen, Farbstoffe und Extrakte in Großbritannien verkaufen und damit auch unsere Marktposition stärken.“

Innovationen, die zum Markt passen

Der Rohstoffeinkauf, die Entwicklung und der Vertrieb werden bei Cobell gebündelt, macht Bennwitz die Marschroute klar. „Von Symrise kommen Produktionstechnologien und das gesamte ­Aromen- und Taste-Balance-Portfolio hinzu. Auf diese Weise können wir zum Beispiel Themen wie die Zuckerreduzierung an­gehen, die in England immer wichtiger wird.“ Zudem sollen etwa standardisierte Komplettlösungen eingesetzt werden – zum Beispiel für aromatisierte Wasser, Fruchtlimonaden, Colas, Instant-­Drinks, Smoothies oder auch alkoholische Getränke.

Flasche

20 Konzerne und 500 kleinere Firmen besetzen den sehr diversifizierten Markt in Großbritannien …

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… hinzu kommen regel­mäßig Start-ups mit neuen Getränkekonzepten.

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Um neue Getränkekonzepte auf den Markt zu bringen, ist Geschwindigkeit entscheidend.

Innovationen, die zum Markt passen, sind Garant für den Erfolg, überall auf der Welt. Auf der Insel ist das aber noch einmal besonders wichtig. In Großbritannien treiben vor allem die großen Supermarktketten und Abfüller den Markt voran. Sie haben ei­gene Abteilungen, die Produkte entwickeln und damit auch die Trends mitbestimmen. „Geschwindigkeit ist hier entscheidend. Manchmal haben wir nicht mal drei Tage, um ein neues Getränkekonzept vorzustellen“, sagt Nick Russell. „Mit Cobell können wir gemeinsam einen neuen Vorstoß in den Markt machen, für sämtliche Getränkekonzepte, die Symrise anbieten kann und die zum Geschmack der Engländer passen.“

Den kennt Nick Sprague gut. Deswegen versucht er, die Getränkehersteller immer wieder mit möglichst vielen guten Ideen zu überraschen. „Wir warten nicht darauf, dass jemand auf uns zukommt. Wir sind selbst aktiv“, erklärt Sprague, während er auf dem Parkplatz zu einem bunt beklebten Transporter geht. Der Slogan „Decoding drinks, crafting desire“ steht neben den Cobell und Symrise Logos und den Zeichnungen einer großen Vielfalt von Früchten. „Damit stellen wir seit dem ersten Tag unserer Zusammenarbeit die gemeinsamen Ideen von Symrise und Cobell vor“, sagt Sprague. „Das kommt sehr gut an und platziert unser Know-how dort, wo es hingehört: Beim Kunden, der unsere Innovationen direkt probieren kann.“