Schon seit Jahren hat sich Symrise ambitionierte Nachhaltigkeitsziele gesetzt und oft deutlich früher als geplant erreicht. Auch 2023 hat sich der Konzern intensiv mit den vier Bereichen Footprint, Sourcing, Innovation und Care beschäftigt, sagt Chief Sustainability Officer Bernhard Kott im Interview. Den Schutz des Klimas und der Umwelt, das soziale Engagement und eine gute Unternehmensführung hat Symrise in der gesamten Wertschöpfungskette im Blick. 

GESELLSCHAFT UND KLIMA

Herr Kott, Symrise richtet seine Aktivitäten seit Jahren an den 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen aus. Welches Thema stand im vergangenen Geschäftsjahr im Mittelpunkt?
Unsere Nachhaltigkeitsaktivitäten haben wir in die vier Bereiche Umwelt (Footprint), Beschaffung (Sourcing), Forschung und Entwicklung (Innovation) und Mitarbeiter und Soziales (Care) heruntergebrochen, in denen wir sämtliche SDGs transparent erfüllen. Wir engagieren uns in der gesamten Breite, um nachhaltiger zu werden. Gleichzeitig wollen wir natürlich wirtschaftlich erfolg­reich sein und gesellschaftliche Akzeptanz erreichen. Der Fokus lag in diesem Jahr bei den Themen Klima und Lieferketten.

Starten wir mit dem Klima. Was sind Ihre Ziele?
Bis zum Jahr 2045 wollen wir komplett klimaneutral wirtschaften, inklusive der Rohstoffe, die wir bei Lieferanten einkaufen. Wir planen, unsere Treibhausemissionen in Scope 1 und 2 so zu verringern, dass wir in diesen Bereichen bereits im Jahr 2030 klimaneutral sind. Bis dahin wollen wir die Treibhausgase im Scope 3, der die Emissionen aus Rohstofferzeugung oder beim Transport umfasst, um 30 % im Vergleich zu 2020 reduzieren. Diese Werte sind mit den Zielen des Vorstands und den nächsten Führungsebenen verknüpft, sodass es auch monetäre Anreize gibt.

Symrise ist ein großer Konzern. Wie setzen Sie diese Pläne um?
Der Stammsitz in Holzminden ist groß und divers. Wir finden hier 80 % aller Technologien, die wir im gesamten Konzern nutzen. Holzminden dient also als eine Art Blaupause für Symrise. Hier haben wir die Prozesse identifiziert, die am meisten CO2 ausstoßen. Außerdem haben wir den heutigen Stand und die Zukunft der Technologien für die Energieerzeugung miteinbezogen sowie mögliche Preisentwicklungen für Strom, Gas oder auch Wasserstoff. Darauf aufbauend haben wir ein Konzept erarbeitet, wie wir unsere Klimaziele erreichen können, und Investitionen in nachhaltigere Technologien kalkuliert. So können wir den Verbrauch von Öl und Gas redu­zieren, uns so weit wie möglich elektrifizieren und bis zum Jahr 2045 kein CO2 mehr ausstoßen.

Sie sprechen die Elektrifizierung an, die oft als wichtiger Teil des Kampfes gegen den Klimawandel gesehen wird. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen?
Wir müssen ein intelligentes System schaffen, das klug aufeinander aufbaut. So setzen wir bei der Stromerzeugung zum Beispiel überall dort auf Sonnenenergie, wo wir große Flächen haben. Das ist in Deutschland auf den Hallen unserer Logistik, vor allem aber auch in Ländern mit hoher Sonnen­einstrahlung der Fall. In unserem Werk im spanischen Granada haben wir eine 4.800 Quadratmeter große Photovoltaik-Anlage installiert. Sie kann pro Jahr bis zu 1,6 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren, das deckt den Strombedarf der Produktion zu 15 %. Energie selbst herzustellen, wo es funktioniert, ist ein guter Hebel für uns. Die selbst hergestellte Energie wird aber nicht reichen, deswegen werden wir auch weiterhin Strom zukaufen. Seit dem Jahr 2020 erwerben wir weltweit nur noch grünen Strom.

Von der Stromerzeugung zum Verbrauch: Wie wollen Sie diesen noch weiter reduzieren?
Zunächst einmal machen wir schon seit Jahren das, was auch jeder Haushalt tut: Wir sparen Strom ein, wo wir nur können, von den Büros bis zu den Werkshallen. Wir können aber auch in der Produktion noch an ganz anderen Stellen ansetzen. In vielen Fällen nutzen wir für unsere Prozesse Dampf mit einem hohen Druck von 30 Bar. Dafür setzen wir noch Gas ein. Für einige Prozesse reicht aber auch Dampf mit drei oder acht Bar Druck aus, den können wir mit einem Elektrodenkessel erzeugen. Ähnliches machen wir auch beim Thema Heizen, wo wir auf Wärmepumpen umstellen, wie es Privathaushalte auch machen. Das war vor einigen Jahren im indus­triellen Maßstab noch nicht möglich, nun bietet uns der techno­logische Fortschritt aber ganz andere Alternativen.

Wir haben schon lange einen sehr guten Überblick über die Herausforderungen in den verschiedenen Ländern und Regionen.Bernhard Kott, Chief Sustainability Officer

Eine Herausforderung wird sein, dass Symrise wachsen will und wird. Bis 2028 – so lautet das neue langfristige Ziel – wollen Sie einen Um­satz zwischen 7,5 und 8 Mrd. Euro erzielen. Wie können Sie den zusätzlichen Energieeinsatz stemmen, der für eine deutliche höhere Produktion nötig sein wird?
Wir sind zuversichtlich, dass wir durch unsere heutigen Maßnahmen viel Energie einsparen werden, was wir dann auch wieder skalieren können. Außerdem gehen wir davon aus, dass die Technologien zur Energieerzeugung, aber auch die Technologien in unseren Prozessen immer effizienter werden. Und wir haben perspektivisch ganz neue Energieformen auf dem Schirm, die wir intensiv beobachten, wie zum Beispiel die Entwicklung der Wasserstofftechnologien. Bis 2040 sollten wir weltweit große Fortschritte gemacht haben – und erst ab dann nehmen wir den Wasserstoff über­haupt mit in unsere Pläne.

Was passiert nun mit den Erkenntnissen aus Holzminden?
Das Pilotprojekt ist beendet, nun rollen wir es auf alle Standorte aus. Wir werden überall die gleichen Analysen und Bewertungen vornehmen und dann je nach Situation Maßnahmen ergreifen. Im ersten Schritt werden wir uns die Standorte anschauen, an denen wir schnell die meisten Emissionen verhindern können. Das ist gut für das Klima, aber auch für uns, weil wir so langfristig Kosten sparen. Mit Deutschland und den USA decken wir so schon 75 % des aktuellen Gesamtausstoßes an CO2 ab. Den Rest der Welt gehen wir im Nachgang an, aber sehr zeitnah. 

Wie sieht es beim Scope 3 aus, dem CO₂-Ausstoß in der Lieferkette? 
Im vergangenen Jahr haben wir im Segment Taste, Nutrition & Health das umfangreiche Programm „Houston“ gestartet (siehe Die Zukunft kann kommen). Wir wollen damit die Emissionen analysieren und bewerten, die auf Produktbasis entstehen. Dafür müssen wir ganz tief in unsere Wertschöpfungskette schauen. Das betrifft auch den Wasserverbrauch, den wir direkt mit­erheben. Hier reden wir über knappe Ressourcen. Ab 2024 müssen wir nach der neuen CSRD-Richtlinie berichten, das sensibilisiert zusätzlich für den Wasserverbrauch.

Es ist ja klar, dass wir den Klimawandel aufhalten müssen – und dafür setzen wir uns bei Symrise schon seit Jahren ein.Bernhard Kott, Chief Sustainability Officer

Das zweite wichtige Thema im Jahr 2023 waren die Lieferketten. Was haben Sie in diesem Bereich gemacht?
In den vergangenen Jahren haben wir uns stark auf unsere natürlichen Rohstoffe konzen­triert, die essenziell für uns sind. Wir haben schon lange einen sehr guten Überblick über die Herausforderungen in den verschiedenen Ländern und Regionen. Deswegen ist es uns nicht schwergefallen, in unserer Materia­litätsanalyse die Beschaffungspraktiken und Menschen­rechte in den Blick zu nehmen, wie es das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland vorschreibt.  

Was bedeutet das? 
In den vergangenen Jahren haben wir Teams aufgebaut, die sich mit der Gesundheit, der Sicherheit und den generellen Arbeitsbedingungen der Lieferanten auseinandergesetzt haben – vor allem mit den so genannten vulnerablen Gruppen. In unserem Fall sind das sehr viele Kleinbauern, die wenig Besitz und Einkommen haben. So haben wir insgesamt für mehr als 20.000 Lieferanten Daten aufgenommen, strukturiert und nach unserem Code of Conduct für die Zulieferer bewertet. Den haben wir übrigens in mehreren Sprachen auf unserer Webseite veröffentlicht.

Wie aufwändig ist dieser Prozess? 
Das ist eine Menge Arbeit. Am besten ist das wieder an den Kleinbauern zu sehen. Sie haben oft keine Computer, sondern nur Smartphones, sodass sie auch nicht mal eben unseren Code of Conduct schriftlich bestätigen können. Deswegen sind unsere Mitarbeiter zu ihnen gefahren, haben sich die Arbeitsbedingungen angeschaut und dokumentiert. Die Ergebnisse dieses mehrstufigen Prozesses müssen dann auch noch auditfähig sein. Was uns sehr gefreut hat: Es gab nur ganz wenige Fälle, bei denen wir nachbessern mussten. 

Im vergangenen Jahr lag der Fokus auf der Circular Economy. Wie hat sich das Thema entwickelt?
Sie ist weiterhin einer der Kernpunkte unserer Nachhaltigkeitsaktivitäten. So arbeiten wir in allen Bereichen daran, etwa Verpackungsmaterialien möglichst geschickt zu nutzen – durch die Wahl der Materialien oder durch innovative Wege, Produkte zu verpacken. Für die Nutzung der Rohstoffe sehen wir am Bereich Pet Food, wie Circular Economy funktioniert. Dort stammen fast alle Rohstoffe aus Seitenströmen anderer Produktion oder aus Zweitverwertungen. Das treiben wir weiter voran, im gesamten Konzern. 

Wir sind im Jahr 2022 mit unserer Initiative Symsafe gestartet, um unsere Arbeitssicherheit zu verbessern.Bernhard Kott, Chief Sustainability Officer

Gehen wir einmal zum Thema Arbeitsschutz. Symrise hatte in den vergangenen Jahren ziemlich schlechte Werte. Hat sich das geändert? 
Ja, wir haben enorme Fortschritte gemacht. Wir sind im Jahr 2022 mit unserer Initiative Symsafe gestartet, um unsere Arbeitssicherheit zu verbessern. Dabei kamen wir von einem MAQ-Wert von 2,8 – die Abkürzung steht für die Anzahl der Arbeitsunfälle mit mindestens einem Ausfalltag pro einer Million Arbeitsstunden. Sie liegt nun bei 2,3. Im Jahr 2024 wollen wir 2,2 erreichen. Mittelfristig wollen wir unter 1,5 kommen und dort auch bleiben. Dafür haben wir mit Symsafe weltweit Arbeitssicherheitsverantwortliche etabliert und eine ganze Reihe von Regeln und Maßnahmen für den Arbeitsalltag eingeführt. 

Alle diese Maßnahmen benötigen große Ressourcen. Nun kommt eine weitere EU-Richtlinie dazu, die Sie im Jahr 2024 umsetzen müssen. Mit der Corporate Sustain­ability Reporting Directive (CSRD) wird sich die Berichterstattung noch einmal stark verändern. Wie sind Sie darauf vorbereitet? 
Im Jahr 2023 haben wir sehr viel Zeit für das Thema CSRD aufgewendet. Ab 2024 wird die doppelte Wesentlichkeit eine Rolle spielen. Das heißt, wir müssen nicht mehr nur darüber berichten, wie unser Geschäftsbetrieb Mensch und Umwelt beeinflusst, sondern auch über die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf unser Unternehmen. Der Aufwand ist auf der einen Seite groß, keine Frage. Auf der anderen Seite berichten wir schon lange sehr transparent über unsere Nachhaltigkeitsleistungen, auch weil unsere Kunden verstehen wollen, welchen Einfluss unsere Produkte auf die Umwelt haben. Davon mal ganz abgesehen nehmen wir den hohen Aufwand gerne auf uns. Es ist ja klar, dass wir den Klimawandel aufhalten müssen – und dafür setzen wir uns bei Symrise schon seit Jahren ein.

Der MAQ-Wert beschreibt die Anzahl der Arbeitsunfälle mit mindestens einem Ausfalltag pro einer Million Arbeitsstunden.