Umsatzzuwachs und Gewinn in einem schwierigen Wirtschaftsumfeld, eine ganze Reihe neuer Nachhaltigkeitsinitiativen und -projekte. Dazu neue Wachstumsziele für das Jahr 2028: Symrise hat das Geschäftsjahr 2023 erfolgreich abgeschlossen und blickt optimistisch in die Zukunft. Wie der Konzern zum 18. Mal in Folge wachsen konnte und wie er die langfristige Konzernstrategie auch weiterhin umsetzt, sagt Dr. Heinz-Jürgen Bertram (Vorstandsvorsitzender 2019 bis März 2024) im Interview.

GUTE UNTERNEHMENSFÜHRUNG

Herr Dr. Bertram, das Motto des diesjährigen Unternehmensberichts heißt „Verantwortung liegt in unserer Natur“. Was verbinden Sie damit?
Symrise hat immer schon Verantwortung übernommen, für die Mitarbeiter, die Nachbarn an unseren Standorten, die Menschen, die in unser Unternehmen und in unsere Aktien investiert haben. Das war selbstverständlich, weil alle Stakeholder am Unternehmenserfolg teilhaben sollen. Seit mehr als zehn Jahren haben wir unser Engagement noch einmal massiv erweitert. Sehr früh schon haben wir das Thema Nachhaltigkeit in den Vordergrund gerückt und haben ein ganz ureigenes Interesse daran: Wir hängen mit unseren Produkten von der Natur ab – und allein deswegen müssen wir uns engagieren.

In Zeiten, in denen die Welt zudem vor vielen anderen Herausforderungen steht, ist das gar nicht so einfach. Wie hat Symrise sich im Jahr 2023 entwickelt?
Uns geht es wie vielen anderen global tätigen Konzernen: Wir sind extrem getrieben durch die geopolitischen Verwerfungen. Das hat großen Einfluss auf unsere Lieferketten, dazu kommen die hohe Inflation und die Wechselkurseffekte, die unser organisches Wachstum mehr als halbieren. Dennoch haben wir unseren Umsatz organisch wieder gesteigert, um 7,9 % und damit über unser Ziel, das zwischen 5 und 7 % liegt. Damit sind wir im Branchenvergleich absolut führend.

Bis zum Jahr 2025 wollen Sie einen Umsatz zwischen 5,5 und 6 Milliarden Euro erreichen. Steht das Ziel weiterhin?
Wir schreiben es aufgrund der Ergebnisse des vergangenen Geschäftsjahrs fort und haben uns auch ein neues mittelfristiges Ziel bis 2028 gesetzt: Bis dahin wollen wir bei einer gleichbleibenden Marge 7,5 bis 8 Milliarden Umsatz erzielen.

Was macht Sie zuversichtlich, dass auch diese Steigerung funktionieren wird?
Wir verfolgen weiterhin unsere Strategie, die auf den drei Säulen Wachstum, Effizienz und Port­folio beruht und untrennbar mit unseren Nachhaltigkeitszielen verknüpft ist. Das Wachstum hat zwei Treiber: Wir wachsen auf der einen Seite organisch, zum Beispiel im Bereich der Luxusparfümerie, wo wir immer wieder neue spannende Produkte für unsere global tätigen Kunden entwickeln und produzieren dürfen. Gleiches gilt bei Körperpflege, Parfümerieprodukten, Lebensmitteln und Getränken, bei Pet Food oder auch im Bereich Oral Care. Gleichzeitig haben wir unsere Expertise und unsere Basis durch Unternehmenszukäufe erweitert. So haben wir unsere Beteiligung an dem amerikanischen Unter­nehmen Kobo erhöht. Es stellt anorganische UV-Filter her und beschleunigt unsere globale Wachstums­strategie bei kosmetischen Inhaltsstoffen. Weiter­hin haben wir den Anteil an der Firma Swedencare auf 42 % erhöht.

Mit diesen Akquisitionen verändert sich das Portfolio immer weiter weg von den klassischen Bereichen Aromen und Duftstoffe, mit denen Sie groß geworden sind. Warum machen Sie das?
Wir haben in unserer Branche als erstes Unternehmen damit angefangen, die Kernbereiche mit sinnvollen Ergänzungen auszuweiten. Gleichzeitig war das auch der erste Schritt zur Transformation hin zu natürlichen, nachhaltigen und rückverfolgbaren Rohstoffen. Dabei legen wir eine große Dynamik vor: Im Jahr 2008 lagen ungefähr 10 % des Geschäftes jenseits von Flavor und Fragrances, heute sind es schon mehr als 30 % – und 2028 wollen wir für unsere neuen Ziele die Hälfte des Umsatzes außerhalb des klassischen Geschäfts machen. Diese Diversifizierung war und ist entscheidend für unseren Erfolg. Sie erschließt uns ganz neue Märkte und damit auch Umsätze und stellt uns so auf breitere Beine. Gleichzeitig setzen wir aber auch auf Zukunftsmärkte, die wir für uns analysieren und bewerten. Ein Beispiel dafür, wie wir das machen, ist die Trendscope-Studie für die Lebensmittel- und Getränke-Branche: Zukunftsblick mit hohem Nutzen. Ähnliche Werkzeuge der Markt- und Konsumentenforschung nutzen wir in den anderen Bereichen des Konzerns. 

Im Bereich der Duftstoffe zum Beispiel setzen wir verstärkt künstliche Intelligenz ein, um unsere Rezepturen zu optimieren.Dr. Heinz-Jürgen Bertram, Vorstandsvorsitzender

Können Sie ein Beispiel für einen dieser Zukunftsmärkte nennen?
Bei den Haustieren reden wir nicht mehr nur über Pet Food, sondern auch über Pet Care, also über Nahrungsergänzung oder medizinische Vorsorge. Dafür steht zum Beispiel die Investition in Swedencare. Das Unternehmen wächst stark, bis 2026 will es 400 Millionen Euro Umsatz erzielen. Zum Portfolio gehören Produkte wie Zahnpflege für Hunde oder Nahrung gegen Übergewicht oder für bessere Mobilität. Ein anderes Thema sind vegane Proteinquellen für Haustierfutter. Viele Hunde- und Katzenbesitzer, die selbst vegan leben, wollen auch ihre Tiere so ernähren. Der Haustiermarkt wächst seit Jahren – und wir wachsen mit ihm.  

Sie sprechen die Gesundheitsvorsorge an. Im Segment Taste, Nutrition & Health werden Sie das Thema Gesundheit ausweiten. Wie kam diese Entscheidung zustande?
Wir haben schon lange Lösungen wie Cranberry-Extrakte im Portfolio, die einen wissenschaftlich belegten Nutzen haben und positiv auf die Harnwege wirken. Nun werden wir unser Wissen um bioaktive Wirkstoffe mit einer eigenen Strategie, Vision und Führung und mit einem eigenen Team bündeln (siehe Gesunde Entwicklung). Es wird sich intensiv mit dem Thema beschäftigen, für das wir enorme Wachstumschancen sehen.  

Welche Innovationsfelder werden Sie außerdem bearbeiten? 
Ein Trend ist die Individualisierung. Wir haben eben die Gesundheit angesprochen, für die wir an Probiotika, Präbiotika und Postbiotika arbeiten. Mit unseren Forschungen am Mikrobiom werden wir ebenso Produkte entwickeln, die maßgeschneidert für die Verbraucher sind. Das gilt auch für den Bereich der Pflege- und Kosmetikprodukte und für Lebensmittel. Mit unseren natürlichen Produkten haben wir in allen diesen Feldern die besten Lösungen im Portfolio. 

Hinter Symrise-Produkten stecken demnach viel Forschung und Entwicklung. Warum gehen Sie nicht in einfachere Märkte und Anwendungsgebiete, um den Umsatz zu erhöhen? 
Unseren Fokus legen wir auf nachhaltig erzeugte Produkte, die auch nachhaltig gesunde Margen haben. Deswegen akquirieren wir auch nur Unternehmen, die unser Profitabilitätslevel von rund 20 % haben oder die wir innerhalb von drei Jahren darauf bringen können. Und das lässt sich mit Massenprodukten ohne spezifisches Know-how nicht erreichen. Gleichzeitig liegt uns die Innovation schon immer im Blut. Unsere Innovationskraft wollen wir nun noch einmal mit dem Programm „Ignite“ stärken, das die Forschung und Entwicklung beschleunigen wird (siehe Schneller, höher, weiter). Oder ganz konkret mit unserer AgroScience, mit der wir uns intensiv mit Anbau-, Ernte- und Verarbeitungsmethoden pflanzlicher Rohstoffe beschäftigen (siehe Vom Acker ins Labor und zurück).  

Symrise ist sehr international aufgestellt, Sie haben über 100 Standorte weltweit. In manchen Branchen geht der Trend hin zu einer Deglobalisierung. Trifft das auch auf Sie zu? 
Die Märkte sind weiterhin extrem volatil, außerdem werden die digitalen Absatzkanäle immer stärker. Auf diese Themen müssen wir uns als Organisation einstellen und eine gewisse Flexibilität entwickeln. Dennoch werden wir uns weiterhin internationalisieren, weil wir nah an den Märkten sein ­wollen. Nur so können wir die Verbraucher und auch regionale Besonderheiten richtig gut verstehen. Gleichzeitig beziehen wir Rohstoffe aus aller Welt und rund 90 % davon sind natürlichen Ursprungs. Um diese nachverfolgbar, sicher verfügbar und nachhaltig einkaufen zu können, ist es wichtig für uns, vor Ort zu sein. Das können wir immer wieder zeigen, etwa am Beispiel von Madagaskar, wo wir sehr eng mit den Kleinbauern zusammenarbeiten (siehe So ganzheitlich wie möglich).

Der Haustiermarkt wächst seit Jahren – und wir wachsen mit ihm.Dr. Heinz-Jürgen Bertram, Vorstandsvorsitzender

Sie haben eben die Digitalisierung erwähnt: Welchen Einfluss hat sie auf Symrise?  
Sie hilft uns, die Erwartungen der Kunden zu erfüllen. Im Bereich der Duftstoffe zum Beispiel setzen wir verstärkt künstliche Intelligenz ein, um unsere Rezepturen zu optimieren. Die Grundentschei­dungen treffen unsere Parfümeure, aber wir können den Prozess davor effizienter gestalten, indem wir bestimmte Parameter bei der Parfümentwicklung durch die KI vorschlagen lassen. Diese innovativen Techno­logien helfen uns aber nicht nur bei der Kreation. Wir werden in den kommenden Jahren verstärkt unsere dritte Säule der Unternehmens­strategie damit stärken, die Effizienz. Dazu werden wir digitale Lösungen zum Beispiel in der Produktion und in den Lieferketten anwenden. So wollen wir effizienter werden.

Kommen wir zu Ihren internen Entwicklungen. Sie haben einige Veränderungen im Vorstand vorgenommen. Warum? 
Anfang des Jahres hat Dr. Jörn Andreas das Segment Scent & Care übernommen, das ich anderthalb Jahre kommissarisch geführt hatte. Er hatte zuvor den Geschäftsbereich Cosmetic Ingredients bei Symrise geleitet. Mit Jörn Andreas können wir unsere Management-Ressourcen optimal verteilen. Der Konzern wächst stark, da gibt es viel zu tun. Das gilt auch für das Ressort Personal und Recht, das Dr. Stephanie Coßmann übernommen hat. Sie war zuvor Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektorin bei der Lanxess AG und wird unsere Personalstrategie für die Zukunft prägen (siehe Vom Dienstleister zum strategischen Partner für das Geschäft). Mithilfe dieser Strategie wollen wir die besten Talente finden und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterentwickeln.  

Die wichtigste Veränderung im Vorstand wird die Übergabe Ihrer Verantwortung als Vorsitzender des Gremiums an Jean-Yves Parisot sein. Was dürfen wir uns von diesem Wechsel erwarten?
Tatsächlich gehe ich nach nunmehr 21 intensiven Jahren im Unternehmen, davon 19 im Vorstand und 15 als Vorstandsvorsitzender, mit Ablauf des 31. März in den Ruhestand. Ich bin stolz auf das, was wir gemeinsam erreicht haben in den zurückliegenden Jahren: Symrise ist gewachsen. Stetig, margenstark und profitabel. Symrise steht heute in unserer Industrie für Innovationskraft, allerhöchste Qualität und absolute Verlässlichkeit. Das ist vor allem der Verdienst unseres großartigen Teams, und es war mir eine Ehre, dieses Team durch bewegte Zeiten zu führen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, den Staffelstab zu übergeben. Bei Jean-Yves Parisot ist Symrise in den allerbesten Händen. Wir kennen uns schon lange, und ich schätze ihn als Manager und als Mensch gleichermaßen. In den vergangenen Jahren hat er die große strategische Linie von Symrise ganz entscheidend mit entwickelt. Sie können also Kontinuität erwarten. Aber klar ist auch, dass mein Nachfolger neue Akzente setzen wird. Das ist richtig und wichtig.

Wir haben vor allem über die Gegenwart und Zukunft gesprochen, dabei spielt 2024 auch die Vergangenheit eine große Rolle: Vor 150 Jahren entdeckten in Holzminden die Chemiker Wilhelm Haarmann und Ferdinand Tiemann das synthetische Vanillin und legten damit den Grundstein für Symrise. Wie wichtig ist das für Sie? 
Unsere Geschichte hat eine große Bedeutung für uns, weil sie von Erfindergeist und Verantwortung handelt. Symrise ist im Jahr 2003 aus der Fusion der beiden Holzmindener Traditionsunternehmen Dragoco und Haarmann & Reimer
entstanden. Wilhelm Haarmann wiederum hatte im Jahr 1874 gemeinsam mit Ferdinand Tiemann ein Verfahren entwickelt, um Vanillin aus dem Saft von Nadelhölzern zu entwickeln, das dem natürlichen Aroma der Vanille gleichwertig war. Ein Jahr später hatte er dann das Unternehmen gegründet. Dragoco war hingegen seit 1919 mit Duftstoffen erfolgreich. Beide Firmen waren Pioniere in ihrem Feld und sie haben die Industrie schon zu der Zeit maßgeblich geprägt. Dieses Erbe führen wir weiter, indem wir nachhaltig und zugleich erfolgreich forschen und wirtschaften.

19,1 %

EBITDA-Marge1 erzielte Symrise im Jahr 2023.

4.730

Mio. € Umsatz hat Symrise 2023 erwirtschaftet.

42 %

beträgt nun der Anteil an der Firma Swedencare.

1 Bereinigt um Sondereffekte