Zum 17. Mal in Folge ist Symrise gewachsen, das Geschäftsjahr 2022 war trotz großer Herausforderungen erfolgreich. Eine Grundlage dafür ist die langfristige Konzernstrategie, die auf den Säulen Wachstum, Portfolio und Effizienz beruht, sagt Dr. Heinz-Jürgen Bertram (Vorstandsvorsitzender 2019 bis März 2024) im Interview. Das Unter­nehmen setzt diese Strategie mit vielen Projekten um, erklärt er – etwa indem es geschickt Unternehmen zukauft, neue Geschäftsfelder zusätzlich zu den etablierten Bereichen identifiziert und bei immer mehr Rohstoffen und Produktentwicklungen auf die nachhaltige und effiziente Kreislaufwirtschaft setzt.

GUTE UNTERNEHMENSFÜHRUNG

Herr Dr. Bertram, 2022 war ein weiteres Jahr der Krisen, mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, mit steigender Inflation und steigenden Energiepreisen – und den immer noch spürbaren Folgen der Covid-19-Pandemie. Wie hat sich Symrise behauptet?

Bei einem Umsatz von 4.618 Mio. Euro haben wir in einem schwierigen Umfeld eine EBITDA-Marge von 20 % erreicht. Was für uns ebenso wichtig ist: Wir sind weiter organisch und stärker als der Wettbewerb gewachsen, mit einer Quote von 11,4 %. So bewegen wir uns mit Zuversicht auf unsere Mittelfristziele bis 2025 zu: Bis dahin wollen wir jährlich um 5 % bis 7 % wachsen, bei einer Profit­abilität von 20 % bis 23 %. Zum Ablauf des Geschäfts­jahres 2025 wollen wir dann einen Umsatz von 5,5 Mrd. bis 6,0 Mrd. Euro erzielen.

Sie sprechen das Wachstum an als eine der drei Säulen Ihrer Strategie neben dem Portfolio und der Effizienz. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit der Konzern vernünftig wachsen kann?

Schauen wir zunächst auf die Märkte: Wir haben zum Beispiel in den Emerging Markets unsere Umsätze nach Plan auf mehr als 40 % gesteigert – dort wollen wir 50 % erreichen. Außerdem haben wir unsere Kundenbasis insgesamt verbreitert, wobei wir unser langfristiges Ziel nicht aus den Augen verlieren: Wir wollen auch weiterhin ein ausgeglichenes Portfolio mit jeweils einem Drittel global, regional und lokal tätigen Kunden haben, die wir von unseren rund 100 Standorten weltweit bedienen. Interessant für unsere Kunden und uns sind neue Vertriebswege, wie der Onlinehandel, der stetig an Bedeutung zunimmt.

Dr. Heinz-Jürgen Bertram setzt im gesamten Rohstoff- und Produktportfolio auf die Circular Economy. Der Vorstandsvorsitzende von Symrise will Rohstoffe möglichst vollständig nutzen, um effizient mit natürlichen Ressourcen umzugehen.

Wir werden unabhängiger von einzelnen Geschäftsfeldern und gleichzeitig wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Konzern zu starken Synergien führen.Dr. Heinz-Jürgen Bertram, Vorstandsvorsitzender (2019 bis März 2024)

Zum Wachstum gehörten bei Symrise in den vergangenen Jahren zahlreiche Akquisitionen. Haben Sie auch im Jahr 2022 neue Unternehmens­teile erworben?

Wir suchen immer nach Chancen in dynamisch wachsenden Segmenten. Im vergangenen Jahr haben wir zwar vor allem auf organisches Wachstum gesetzt. Dennoch haben wir uns an den richtigen Stellen verstärkt, etwa bei der Feinparfümerie, die nach dem Einbruch in der Covid-19-Pandemie wieder zweistellig wächst. In Südfrankreich in der Nähe von Grasse, der Welthauptstadt der Parfümherstellung, haben wir die beiden Unternehmen Groupe Néroli und SFA Romani gekauft (Zusammen statt gegeneinander). Deren zusammen rund 200 Mitarbeiter werden in Zukunft unter dem gemeinsamen Namen SFA Néroli firmieren. Die beiden ehemaligen Wettbewerber werden enorme Synergien heben können. Sie entwickeln und produzieren Duftkompositionen für Abnehmer weltweit – von feinsten Parfüms bis zu Haushaltsprodukten. Im Jahr 2022 haben sie zusammen rund 40 Mio. Euro umgesetzt. Sie bringen zudem enormes Know-how ein, das wir mit unserer wiederbelebten Marke Maison Lautier verbinden werden, für die wir am selben Standort nur ein paar Hundert Meter entfernt eine neue Fabrik bauen werden (Tradition nutzen, Zukunft gestalten).

20 %

EBITDA-Marge1 erzielte Symrise im Jahr 2022.

4.618 

Mio. € Umsatz hat Symrise 2022 erwirtschaftet.

11,4 %

Organisches Umsatzwachstum erreichte Symrise im Jahr 2022.

1 Ohne Wertminderung des assoziierten Unternehmens Swedencare 

Eine weitere Säule ist das Portfolio von Symrise, das Sie in den vergangenen Jahren stark ausgebaut haben, vor allem in der Breite und außerhalb der angestammten Geschäftsfelder Aromen und Düfte. Haben Sie hier schon Ihre Ziele erreicht?

Im Jahr 2008 haben wir 10 % unseres Umsatzes in neuen Geschäftsbereichen erzielt, heute sind es mehr als 30 %. Wir haben im Jahr 2015 mit dem Kauf von Diana diesen Transformationsprozess angestoßen, dem mittlerweile die gesamte Branche folgt. Diese Strategie werden wir auch weiterverfolgen. Bis 2025 wollen wir 40 % des Geschäfts außerhalb der klassischen Bereiche machen, bis 2028 soll es die Hälfte sein. Damit stellen wir uns gut für die Zukunft auf, weil wir unabhängiger von einzelnen Geschäftsfeldern werden und gleichzeitig die inter­disziplinäre Zusammenarbeit im Konzern zu starken Synergien führen wird.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um das Portfolio zu erweitern?

Wir haben zum Beispiel das niederländische Unternehmen Schaffelaarbos gekauft. Es stellt aus Seitenströmen der Eierproduktion Produkte für die Heimtierindustrie her. Die ergänzen unser Portfolio von Nuvin, der Ernährungsmarke von Symrise Pet Food (Ei-Experten). So haben wir unsere Kompetenzen erfolgreich erweitert und unsere führende Position im Bereich Heimtierfutter gestärkt. Dort werden wir unsere Produktion auch weiterhin stark ausbauen und mittelfristig 1,5 Mrd. EUR Umsatz anpeilen. Dafür wollen wir auch in dem Bereich der Tiergesundheit wachsen – dabei hilft uns unsere Beteiligung an der Firma Swedencare.

Für unsere Größe und die Aufgaben, die wir vor uns haben, war es an der Zeit, dass wir unseren Vorstand vergrößern.Dr. Heinz-Jürgen Bertram, Vorstandsvorsitzender (2019 bis März 2024)

Haben Sie solche ehrgeizigen Pläne auch in anderen Teilen des Portfolios?

Im Bereich Cosmetic Ingredients wollen wir unseren Umsatzkurs weiter beschleunigt fortführen. Hier werden wir vor allem mit Innovationen punkten und unser Geschäftsmodell auch auf dekorative Kosmetik ausweiten. Beim Thema Consumer Health werden wir weiterhin das Mikrobiom erforschen – also die Ansammlungen von Mikroorganismen, die für jede Körperregion unterschiedlich sind, um jeweils passende Pre-, Pro- und Postbiotika zu entwickeln.

Die dritte Säule Ihrer Strategie ist die Effizienz. Wie wollen Sie Symrise in diesem Bereich verbessern?

Im Konzern kaufen wir über die Geschäftsbereiche hinweg etwa 10.000 Rohstoffe ein. Wenn wir die Beschaffung insofern verbessern, dass wir noch stärker bereichsübergreifend denken, können wir deutlich effizienter werden. Gleichzeitig wollen wir unsere Rohstoffe nach höchsten Nachhaltigkeitsstandards beschaffen. Hierbei geht es um weit mehr als nur um gute Qualitäten. In diesem gesamten Prozess wird der Aspekt der Biodiversität eine wichtige Rolle spielen. Wir betreiben die Rückwärtsintegration weiter und arbeiten eng mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette zusammen.

Bleiben wir noch kurz beim Thema Effizienz. Sie haben Ende Januar den Vorstand um zwei Mitglieder erweitert. Was war der Grund für diese Entscheidung?

Für unsere Größe und die Aufgaben, die wir vor uns haben, war es an der Zeit, dass wir unseren Vorstand vergrößern. Ich habe zum Beispiel neben der Arbeit als Vorstandsvorsitzender kommissarisch auch das Segment Scent & Care geführt, was von Anfang an nur auf eine begrenzte Zeit angelegt war. Wir haben als neuen Vorstand für diesen Bereich eine wunderbare interne Lösung gefunden. Dr. Jörn Andreas, der bisher den Geschäftsbereich Cosmetic Ingredients bei Symrise geleitet hat, wird übernehmen. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler hat schon eine ganze Reihe von Führungspositionen bei uns besetzt und unter anderem zahlreiche Merger & Akquisitions und strategische Initiativen verantwortet. Für das neu geschaffene Ressort Personal & Recht, das immer wichtiger wird, haben wir die erfahrene Managerin Stephanie Coßmann zum Vorstand berufen. Die promovierte Juristin war zuletzt als Mitglied des Vorstands und Arbeits­direktorin bei der Lanxess AG tätig.

Wir wollen aber Rohstoffe möglichst komplett verbrauchen und damit deutlich effizienter mit unseren natürlichen Ressourcen umgehen.Dr. Heinz-Jürgen Bertram, Vorstandsvorsitzender

Zeit und Arbeitskraft sind knappe Güter, und Rohstoffe sind es auch. Sie setzen deswegen immer häufiger auch auf die Circular Economy, der aktuelle Unternehmensberichts trägt den Titel „Ressourcen schaffen durch Kreislaufwirtschaft“. Warum steht diese Herangehensweise so im Fokus?

In unserem gesamten Rohstoff- und Produkt­portfolio können wir die Prinzipien der Circular Economy verfolgen. Es gibt so viele Rohstoffprozesse, in denen werthaltige Materialien bisher einfach nicht verwendet werden. Wir wollen aber Rohstoffe möglichst komplett verbrauchen und damit deutlich effizienter mit unseren natürlichen Ressourcen umgehen. Damit vermeiden wir an vielen Stellen auch das klassische Recycling. Diese innovativen Konzepte sind übrigens von Beginn an Teil unserer DNA. Als 1874 die beiden Chemiker Wilhelm Haarmann und Ferdinand Tiemann zum ersten Mal synthetisches Vanillin aus dem Rindensaft von Nadelhölzern hergestellt haben, verwendeten sie schon einen Rohstoff, den sonst niemand benötigte. Heute würden wir das mit dem Begriff des werthaltigen Upcyclings beschreiben. Als Haarmann dann 1875 sein Unternehmen gründete, legte er einen Grundstein für das heutige Symrise.

Wie setzen Sie die Circular Economy heute um?

Wir nutzen die Prinzipien der Kreislauf­wirtschaft an vielen Stellen. In dem Segment Taste, Nutrition & Health mit dem bereits erwähnten Kauf von Schaffelaarbos. Ähnliche Geschäftsmodelle setzen wir dort erfolgreich mit Nebenströmen aus der Fleischproduktion um. Ein anderes Beispiel: Mit innovativen Methoden nutzen wir im Bereich Scent & Care auch Seitenströme aus der Orangen- oder Zuckerrohrverarbeitung. Daraus entstehen bei uns unter anderem viele Produkte, die erneuerbar und biologisch abbaubar sind (Die Einzigartigen). Das ist aber noch nicht alles. Duft- und Wirkstoffe haben den Vorteil, dass sie als patentierter Baustein Duftkompositionen unverwechselbar machen und damit auch vor Nachahmern schützen.

Nachhaltige Prozesse bleiben also ein entscheidender Bestandteil Ihrer Strategie?

Absolut, wir setzen an vielen Stellen im Konzern auf nachhaltige Ansätze. Diese tragen dazu bei, dass wir fortwährend unsere CO2-Emissionen verringern. So können wir bis zum Jahr 2030 bei Versorgung und Verbrauch von Energie klimapositiv und bis 2045 in der gesamten Lieferkette klimaneutral werden (Positiv in die Zukunft). Auf diese Weise können wir unser Erfolgsrezept fortschreiben, mit nachhaltigen Geschäftsprozessen, die gut für Menschen und Tiere, Klima und Umwelt sind und gleichzeitig wirtschaftlichen Erfolg garantieren.